Gesangsunterricht per Zoom oder Skype? Bis zum März 2020 war das eher eine Nischen-Angelegenheit. Ein Angebot von wenigen, oft assoziiert mit Star Coaches, ein Angebot für Profis mit Stimmproblemen auf Tour. Mit der Coronavirus-Pandemie hat sich das schlagartig geändert. Wer nicht online Unterricht angeboten hat, stand im Abseits. Und ich frage mich, wieso ich/viele nicht schon früher auf dieses Angebot gesetzt haben. In diesem Blogeintrag erkläre ich euch, weshalb Singen per Skype/Zoom manchmal ziemlich zielführend sein kann. Und warum das nicht definitiv nicht nur ein Pandemie-Trend ist.
Auch für mich war es eine neue Erfahrung, online zu unterrichten. Und ich persönlich habe festgestellt: das klappt ausgezeichnet. Ich hatte Starthilfe, weil ich ja derzeit auch meine CVT-Ausbildung mache und die Kurse dort ebenfalls online stattfinden, anstatt am Institut in Kopenhagen. Und so konnte ich sowohl als Sänger als auch als Coach (unter Anleitung) reinschnuppern, bzw. haben wir besprochen und ausprobiert, worauf es bei Online-Sessions ankommt: jedenfalls auf eine gute Internetverbindung und gute, konkrete Kommunikation. Mikrofon? Fast schon Nebensache. Vor allem für weniger technikaffine Menschen mögen Online-Sessions eine große Hürde sein. Aber die Hürde kann man als Coach auch gut abbauen, indem man eine kurze Anleitung erstellt, bzw. es mit Einladungslinks so einfach wie möglich macht.
Fokus auf das Wesentliche
Für alle, die es noch nie ausprobiert haben: das Problem ist die Zeitverzögerung. Ich kann nicht Klavierspielen, während ein:e Sänger:in dazu singt. (Einfach mal beim nächsten Skype-Gespräch ausprobieren, gemeinsam „Alle meine Entchen“ zu singen, und ihr wisst, was ich meine). Auf Klavierbegleitung (sowohl bei Songs als auch bei Übungen) muss man also verzichten. Je besser die Internetverbindung, desto angenehmner die Experience. Bild und Ton werden schärfer, die Verzögerung kleiner. Am störendsten sind ohnehin Aussetzer, oder wenn das Gegenüber „abgehackt“ klingt oder gar „freezt“, also gar nichts mehr geht.
Das Mikrofon ist allerdings meiner Meinung nach zweitrangig. Wer in ein mittelmäßiges USB-Mikrofon investiert, das man direkt in den Laptop stecken kann, macht es mir als Coach natürlich einfacher, Nuancen zu hören. Aber es reicht tatsächlich auch das Handy-/Laptopmikrofon.
Vertrauen auf die Wahrnehmung der Sänger*innen
Denn – und darauf will ich die ganze Zeit hinaus – an gesangstechnischen Dingen lässt sich per Zoom/Skype/Hangout/Facetime/Whatsapp/Teams/YouNameIt bestens arbeiten. Kennt man den/die Sänger*in, ist es natürlich etwas leichter. Denn da kann ich akustisch einfacher das Vokaltraktsetting nachvollziehen und technische Details besser hören. Aber wichtig ist in Online-Sessions ohnehin die Wahrnehmung der Sänger*innen. Arbeiten wir an einem neuen technischen Thema oder versuchen wir, eine knifflige Stelle in einem Lied zu meistern – als erfahrener Coach habe ich meistens eine Vermutung, woran es hakt und dann heißt es einfach: gemeinsam ausprobieren. Oft genügt es auch, den/die Sänger*in zu fragen: „Was meinst du, woran könnte es liegen?“ (Mit Sänger*innen, die mich schon kennen, bzw. die ich schon kenne). Stütze / Support? (Meistens die erste Antwort, wenn ein Gesangslehrer so etwas Blödes fragt). Gut. Support-Energie also. Wir erinnern uns gemeinsam, worauf es da ankommt. Probieren die Stelle wieder. „War’s besser?“ Diese Frage stelle ich dem/der Sänger*in. Meistens höre/sehe ich den Unterschied natürlich schon. Aber ich vertraue auf die Wahrnehmung der Singenden. Denn nur sie können sagen: „Ja, war schon viel easier“ oder „Nein, jetzt hab ich etwas kratzen gespürt“ oder „Hm, weiß nicht“. War der Support-Energie-Bereich ein Schritt vorwärts? Gut, dann behalten wir das bei – etc. Ich gehe online noch mehr auf die eigene Wahrnehmung der Sänger:innen ein, als ich es in direkten Sessions mache. Das stärkt auch die Wahrnehmung der Sänger:innen, sie wissen konkret, was sie verändert/getan haben, um ihren Klang, ihr Gefühl am Ton zu verbessern.
Die Vorteile des Online-Teachings
Was sich als äußerst wichtig herausgestellt hat, ist das Erfragen der gefühlten Lautstärke. Denn das ist online nicht so genau zu hören, wie im selben Unterrichtsraum. Denn die Lautstärke ist wichtig, um abschätzen zu können, welche Probleme es geben könnte (zum Beispiel bei der Wahl der Modes #CVT). Also frage ich: „Auf einer Skala von null bis zehn, wobei zehn das lauteste ist, was du singen kannst – wie laut war das?“ Das ist keine Fangfrage und es gibt keine falsche Antwort darauf. Aber der/die Sänger*in kann mit seiner Antwort einen wertvollen Hinweis darauf geben, woran es liegt, dass der Ton nicht hält oder sich zu verkrampft anfühlt. Denn ja, manchmal muss man auch lauter singen und sich trauen, damit ein hoher Ton überhaupt funktionieren kann. Und manchmal könnte das Gegenteil helfen und man muss gar nicht so viel Kraft in den Ton legen.
Ich habe die Vorteile von Online-Sessions jedenfalls schätzen gelernt. Als Unternehmer bietet einem das natürlich einen weltweiten Markt. Nicht dass ich jetzt denke, ich werde weltweit Sänger*innen anwerben… Aber was, wenn zum Beispiel ein langjähriger Schüler von mir auf Tournee in Sibirien ist und plötzlich heiser ist oder eine technische Frage hat? Was, wenn jemand aus Wien nach Frankreich zieht und trotzdem mit mir weiter an etwas arbeiten möchte? Was, wenn jemand Husten hat, Stimme/Gemüt aber noch gut darauf sind? Anstatt abzusagen oder „indisponiert“ in die Stunde zu kommen (und mich womöglich anzustecken – muss ja nicht gleich Corona sein) verlegen wir die Session einfach online. Und für manch eine(n) kann es auch einfach Zeitersparnis sein, etwa jede zweite/dritte Woche nicht zu mir ins Studio zu fahren. Sondern einfach den Laptop fünf Minuten vor Session-Beginn aufzuklappen und den Link anzuklicken. Ja warum auch nicht.
Was Online-Unterricht nicht kann
Was ich auf jeden Fall bemerkt habe, ist, dass vor allem die Freude an der Musik etwas verloren geht. Kann auch an mir liegen… Aber das gemeinsame Spüren der Musik, ich am Klavier, eine Sängerin, die sich dazu einfach in den Song „fallen lässt“. Das geht online nur schwer. Auch der Karaoketrack (den der/die Sänger:in abspielt) kann das nicht ersetzen. Für manche ist auch die Angst vor den Nachbarn ein Hindernis, wenn man sich nicht traut, laut zu singen.
Fazit: Online-Unterricht kann rasch Hilfe leisten, bei konkreten Fragen und Problemen bzw. ist ein super Tool, um Erlerntes zu verarbeiten oder neue Themen kennenzulernen. Und natürlich spielt der Ort, an dem sich Coach und Sänger*in befinden, keine Rolle, solange es gutes Internet gibt.
Hier noch ein Youtube-Video, das ich sehr interessant gefunden habe. Es ist eine Session von Michael Jackson mit seinem langjährigen Vocal Coach Seth Riggs, der ja der Gründer der Methode „Speach Level Singing“ (SLS) ist. Man sieht, manchmal reicht auch eine unterdurchschnittliche Telefonverbindung, um einfach die Basics zu wiederholen mit dem Coach. Riggs leitet Jackson dabei quasi durch sein Übungs-Programm, es geht wenig um Details. Dennoch spannend zum Reinhören. Über den Inhalt soll es bei diesem Videolink nicht gehen. Mit SLS bin ich wenig vertraut, aber über die Übungen, die Michael Jackson da trällert, gibt’s vielleicht mal einen eigenen Blog-Eintrag. Wenn ich mich traue.
Ein schönes Wochenende euch allen!
Ein Kommentar zu “#01 Online-Gesangsunterricht? Klar, gerne!”