Erst einmal vielen Dank, dass ihr hier wieder reinschaut. Es lesen doch mehr Menschen hier mit, als ich gerechnet hätte. Nicht, dass ich hier jetzt eine Mega-Zahl verkünden könnte, aber alleine, dass aus meiner Bubble immer wieder Leute hier mitlesen, auf Facebook kommentieren oder mich diskret per Whatsapp auf Tippfehler aufmerksam machen – Danke dafür! -, freut mich sehr und motiviert mich auch.
Heute wird’s mal ein bisschen praktisch. Es geht um’s gute alte „ng“ – ein Laut bzw. ein Vokaltraktsetting, der/das super als Warm-up oder generell zum Üben ist. Warum das so ist, was der Sound so alles kann und worauf man achten könnte – darüber schreibe ich heute im – *add fancy gameshow-music here* – #vocalfriday numero sechs.
SOVT – Semi Occluded Vocal Tract, Baby!
„ng“ auf fünf Tönen Dur abwärts – das war, glaube ich, in meiner ersten Gesangsstunde bei Philipp Gumhalter im Alter von 14 Jahren die erste Übung, die ich machen sollte. Es ging darum, einen guten Basisklang zu finden und erste Schritte dahingehend zu entdecken, was ich tun kann und muss, um in den Höhen den Klang auch halten zu können. Und seither ist mir der Klang in unzähligen Varianten für unterschiedlichste Ziele immer wieder über den Gesangsweg gelaufen. Und vielleicht ist die Übung deswegen auch eine Art „Safe Space“ für mich persönlich. Ein Nullpunkt, auf den ich mich verlassen kann.
Übungen auf „ng“ gehören zur Gruppe der SOVT-Übungen, wie Lippenflattern, Summen, Strohhalm-Übungen… Sie erzeugen – kurz und vereinfacht gesagt – eine zusätzliche Verengung in unserem Vokaltrakt, die sich auf den Luftstrom und superglottalen Druck unserer Stimmbänder auswirkt, was sich bei der Stimmgebung positiv auswirkt und den Stimmbandschluss fördern kann. Man kann also rein stimmlich gesehen nicht allzu viel verkehrt machen und gewährt seiner Stimme sozusagen eine Art „Stretching“ und Fokus auf den Basisklang und die gesunde Tonproduktion – ohne dabei von komplizierten Dingen wie Vokalen abgelenkt zu sein 🙂
Wofür können wir „ng“-Übungen einsetzen?
- Regeneration bei starker Beanspruchung der Stimme
- Warm-Up / Cool-down
- Üben von besserem/vollständigerem Stimmbandschluss (bei Tendenz zu hauchigen Tönen)
- „Reset“ des Vokaltrakts bei Verspannungen
Und so geht’s
Also: falls du noch nicht das Vergnügen hattest: Sag einfach laut „singen“. Sehr gut. Und jetzt nochmal und halte dabei den Mittellaut „ng“ lannnnge aus. Geklappt? Sehr gut! Deine Hinterzunge berührt also den weichen Gaumen hinten oben, deine Zungenspitze sollte beweglich sein bzw. ruhig hinter den unteren Schneidezähnen liegen. Nochmal: „Sinnnnggg.“ Ja? Verstehst du, was ich meine? Der Mundraum ist vom Luftstrom vollkommen abgeschnitten, die Zunge kappt die Verbindung zum Rachen sozusagen, die Luft samt Ton verlässt deinen Körper ausschließlich über den Nasengang. Zur Kontrolle: Hältst du dir mit deinen Fingern die Nase zu, endet der Ton rasch, weil er nirgends mehr hin kann und das „ng“ ist richtig. Ausprobiert? Super. Auf „ng“ singend kann man den Mund folglich auch öffnen, ohne, dass es am Klang etwas ändert.

Zungenrücken berührt weichen Gaumen
grüne, dünne Striche =
Luftstrom/Ton 🙂
#bestegrafikever
Bei Übungen auf „ng“ könntest du Folgendes beachten:
- nicht zu laut singen
- einen luftigen Klang vermeiden, wir suchen eher einen runden/klassisch gedachten Sound
- ein bisschen Gähnstellung kann dabei nicht schaden (Gaumensegel bisserl „aufspannen“)
- ein wenig könnte es sich so anfühlen/-hören, als würdest du winseln oder leise vor dich hin weinen (ohne den Kloß im Hals… )
- Das Kinn muss beweglich bleiben, das schiebt sich gerne mal nach vor – auch sonst bitte keine übertriebenen Kompensationsspannungen in den Augenbrauen, im kleinen Finger…
Jetzt können wir versuchen auf „ng“ drei/fünf Töne abwärts singen in einfacher Lage. Für Frauen so vom E1 runter, Männer vielleicht vom kleinen G. Es soll sich (nonanet) angenehm anfühlen. An Basics wie Stütze und Verkleinerung des Vokaltrakts sollten wir vielleicht in höheren Lagen nicht vergessen.
Wenn wir diesen smoothen, klaren Klang gefunden haben, ergibt das ein super Warm-up oder Schleim-Wegsingen in der Früh. Durch zusätzlichen (eher leisen) Winsel- oder Weinen-Charakter (ohne dabei zu viel Druck zu geben), helfen wir unseren Stimmbändern auch beim Stretchen, beim Kippen und zusätzlichen ausdünnen der Kontaktfläche, das gibt dem Sound eine extra Portion Soft- und Sweetness. (Das geht dann in Richtung der „Sirenen“-Übung, die bei den Kolleg:innen vom „Estill Voice Training“ – und auch bei mir – Standard-Repertoir ist) Manchmal kann das übrigens auch ein Weg sein, um ein Vibrato zu entdecken oder zu üben. Diese „Sirene“ kann für manche Sänger:innen auch ein Tool sein, um den Übergang von Brust- zu Kopfstimme zu üben.
Geht es darum am Stimmbandschluss zu arbeiten (unwillkürliche hauchige Töne zu beseitigen), ist es wesentlich, in einer einfachen Lage zu bleiben, die Lautstärke unten zu halten und mit dem Klang und den Vibrationen auch ein wenig zu experimentieren. Der Einsatz eines Strohhalms kann dabei übrigens echt Wunder wirken – dann nicht mehr auf „ng“ natürlich… Aber zu „Straw-Phonation“ vielleicht ein ander Mal.
Vom „ng“ kannst du auch probieren (zuerstmal am) Schlusston von 5-4-3-2-1 laaaangsam auf ein „u“ aufzumachen, die Zunge dabei laaangsam vom Gaumen zu lösen und dabei das restliche Setting gleich zu halten. So kannst üben, den Sound – im Idealfall auch die Leichtigkeit – vom „ng“ auch in Vokale mitnehmen.
Nicht alles macht Sinn auf „ng“ – Melodie üben aber schon
Schwierige Tonfolgen in Songs übe ich gerne auf „ng“, wenn es rein um’s Merken und Üben der Tonfolgen und Intervalle geht. Oder wenn ich stimmlich vielleicht nicht so fit bin, ein bisschen kränklich, und ich sollte dennoch zwei drei Songs ein bisserl durchgehen – dann sinnnnnnngggge ich sie auf „ng“ oder verwende einen Strohhalm als Hilfsmittel – oder ich blubbere die Melodie mit einem Silikonschlauch in einen Wasserbecher… Alles empfehlenswert.
Wenn ich diesen einen, verflixten, hohen Ton aber laut und kräftig in meiner Performance singen will bzw. sollte, dann wird es mir nicht erspart bleiben, den Klang schlussendlich auch laut und kräftig zu üben. Ich will damit nur sagen: Hohe Töne auf „ng“ zu singen, ist für viele gar nicht so einfach, weil die Töne leicht in die „Kopfstimme“, ins „Falsett“ flippen. Technisch gesehen könnte das also ein falsches Einüben eines Vokaltraktsettings sein für einen Ton, den ich ganz anders denken und formen muss, wenn’s „ernst“ wird mit der Performance. Aber das ist dann schon sehr individuell, was helfen könnte und was nicht. Jedenfalls: Für runderen Sound, das Üben von Intervallen oder eben im Warm-up und zum Training von vollerem Stimmbandschluss ist „ng“ immer eine gute Idee.
Probiert es einfach einmal aus und experimentiert rum. Auf „ng“ kann nicht viel schiefgehen, sofern ihr ein bisserl in euch reinspürt, die Lautstärke nicht pusht und auf Verspannungen achtet. Freu mich auf eure Rückmeldungen! Gerne natürlich auch in einer Gesangsstunde bei mir. Muhaha. Warum denn nicht? Ab September lege ich nach der „Sommerpause“ voller Hochzeiten privater und musikalischer Natur und anderen Terminen wieder los.
Habt ein schönes Wochenende! Und immer brav singen. Vor allem freitags. Schließlich ist #vocalfriday, vocalfriyay! 🙂
Coming up on Vocalfriday #07
Ich nenne sie manchmal spaßhalber „Sekten“ und bin selbst Teil von einer: Gesangsschulen bzw. -systeme wie die großartige Complete Vocal Technique: Warum ich mich dafür entschieden habe, die Ausbildung zum zertifizierten Lehrer ausgerechnet dort zu machen, warum mir wichtig ist, zu betonen, dass mich „mehr“ ausmacht als das (obwohl ich super happy mit CVT bin) und warum ich es liebe, wenn Gesangssysteme und -schulen in einen freundlichen und offenen Dialog treten, anstatt sich auf Facebook zu haten 🙂 Und: Warum braucht es solche Systeme überhaupt?
am 13.8. hier im Blog
2 Kommentare zu „#06 „ng“ – eine Übung für immer und überall“