#08 Blaukraut bleibt Blaukraut: Die Zunge ist nun mal immer „im Weg“

Es ist derzeit einiges los in meinem Kalender (Hochzeiten privater und musikalischer Natur, CVT-Workshop in Kopenhagen – yay! – Musicalkonzert mit dem Theater im Neukloster (gestern, Donnerstag, yay-yay!) und in der Urlaubszeit gibt’s auch in der „Presse“ einige Dienste zu besetzen. Und so komme ich diese Woche nicht wirklich dazu, mir ausführlich für diesen wirklich wesentlichen Muskel hier im vocalfriday-Blog Zeit zu nehmen. Aber, wenn ich’s schon angekündigt habe, dann greife ich zumindest einen Aspekt ‚raus. Und hebe mir all die anderen Topics für die glorreichen weiteren 30 Jahre dieses Blogs auf. Okay? Okay!

Also reden wir heute einfach mal nur darüber, warum zur Hölle die Zunge so verdammt wichtig fürs Singen ist. Zwei Antworten, die gleichzeitig zwei Seiten der Medaille sind:

1) Der Kehlkopf ist quasi an der Zunge „aufgehängt“ bzw. mit ihr verbunden. Denn beide sind mit dem Zungenbein verbunden (ein hufeisenförmiger Knochen, der nur an Bändern und Sehnen hängt und von dem viele überrascht sind, dass sie ihn im Übergang von Kinn-Unterkante und Hals spüren können – wer’s probieren mag, siehe Youtube-Video am Ende). Dieser Zusammenhang kann wesentlich sein: Ist die Zunge (der Zungenrücken) hoch, ist auch der Kehlkopf höher – klar so weit? (Und bei hohen Tönen kann ein höherer Kehlkopf relevant sein). Bzw. generell gesprochen: Eine fixierte/verspannte Zunge kann auch die Flexibilität im Kehlkopf verhindern.

2) Die Zunge ist natürlich für die Artikulation wichtig. Sie formt alle unsere Vokale. Und da haben wir schon das Spannungsfeld. Denn das widerstrebt manchmal oben beschriebenem Punkt 1. Wir können unseren Vokaltrakt im Kehldeckel- oder Rachen-Bereich schon zu unseren Gunsten manipulieren, aber alleine die schiere Größe und Beweglichkeit der Zunge im Verhältnis zu allen anderen Elementen des Vokaltrakts zeigt: Wer die Zunge im Griff hat (autsch!), hat eine Sorge beim Singen weniger, bzw. kann sie zu seinem*ihrem Vorteil nutzen.

Hier ein schematisches (laterales, seitliches) Bild von der Zunge und wie sie mit dem Kehlkopf verbunden ist, damit wir uns mal einen Überblick verschaffen.

(c) Henry Gray (1918) Anatomy of the Human Body (Wikipedia)

Kennst du dich aus mit der Grafik? „Thyroid Carilage“ ist der Schildknorpel, also jener größte Knorpel des Kehlkopfs, der bei vielen Männern als „Adamsapfel“ am Hals sichtbar ist. Das „dünne“ Element darüber, ist das Zungenbein: beschriftet (etwas schwer lesbar) mit „Hyoid Bone“ auf Englisch. Wir sehen hier: Die hellroten Zungenmuskeln sind großteils mit dem Zungenbein verbunden. Und der Kehlkopf ist ebenso mit dem Zungenbein verbunden. Auch das die Verbindungen von Stylo-Hyoideus und Stylo Pharyngeus (die beiden schmalen, länglichen Muskeln, die bis unters Innenohr reichen) scheint mir wesentlich, um das Zusammenspiel von Zunge und Kehlkopf zu begreifen.

Also ich glaube, für’s Erste einmal: „Point made“. Besonders die Rolle der Zunge bei der Vokalbildung werde ich unter Garantie ein anderes Mal aufgreifen, wenn ich mehr Zeit habe. Wer nicht gerade ein klassisches Sound-Ideal sucht, dem empfehle ich meistens eine „happy“ Zunge – also eine breite Zunge, deren seitliche Ränder in Richtung obere Backenzähne tendieren. Die Zungenspitze ist dabei frei beweglich. Der Zungenrücken eeeeher ein Buckel als ein Schüsserl – um’s mal plakativ zu illustrieren…. Jedenfalls: Spürst du eine Verspannung in der Zunge kann ich dir diese Übung empfehlen:

Zähneputzen bis zum Gehtnichtmehr

  • Fahre mit deiner Zunge im Uhrzeigersinn die Außenseite deiner Zähne ab. Als würdest du die Zähne auf der Vorderseite von Erdnussbutter reinigen wollen. Lasse dabei auch deine Backenzähne nicht aus. Von oben nach oben rechts hinten, von rechts hinten nach rechts unten, nach unten Mitte, unten links, oben links, oben Mitte. Fertig mit einer Runde.
  • Und hier machen wir je nach Stärke und Lust mehrere Runden – in etwa:
    – 10 Mal im Uhrzeigersinn (iU)
    – 10 Mal gegen den Uhrzeigersinn (gdU)
    – 5 Mal iU
    – 5 Mal gdU
    oder zum Beispiel: 5 iU, 4gdu, 3iU…
  • Du wirst sehen, deine Zunge wird nach und nach ermüden und sie wird sich irgendwie „anders“ anfühlen.

Einfach ‚mal ausprobieren, ob’s die gewünschte Wirkung hat und sie dir danach im Singen nicht mehr so leicht in die Quere kommt. Es kann nicht viel schiefgehen dabei 🙂 Ein Quicktipp könnte außerdem sein: die Zunge gaaaanz weit hinauszustrecken beim Singen (oder vor dem Singen als Warm-up). Auch dabei kann die Zunge keine weiteren Verspannungen machen, die wir so nicht wollen.

Alright, liebe Leute. Ich hoffe, ihr habt auch heute wieder was Spannendes gelernt. Falls ihr Fragen habt – jederzeit! Einfach melden! Und wir lesen uns nächsten Freitag wieder. Ich mache ja derzeit Sommerpause beim Unterrichten. Aber ab September geht’s wieder los – also sichert euch eure Slots, falls ihr mal vorbeikommen wollt zum Singen!

Schönen #vocalfriday, schönes Wochenende!

Hier noch das versprochene Video über das Zungenbein, wer sich dafür interessiert 🙂

Coming up on Vocalfriday #09

Endlich wieder Kopenhagen: Kommende Woche werde ich vier Tage am „Complete Vocal Institute“ im Rahmen meiner Ausbildung hinter mir haben. Und ich werde euch ein paar Eindrücke geben, was ich mitgenommen habe, was mich beschäftigt, neue Aha-Erlebnisse und was ich verstärkt üben sollte und woran ich verzweifle – bisserl „Nabelbeschau“, aber ich versuch’s unterhaltsam zu machen, okay? Frei nach dem Motto: „Klemens‘ schönstes Ferienerlebnis“. 🙂

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

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