#19 Lasst Mr. Kehlkopf und sein Team in Ruhe arbeiten!

Die Rede zur Larynx-Lage der Nation!

Ich weiß nicht einmal, woher der von mir abgewandelte Spruch im Titel im Original genau her ist, oder ob’s einfach eine dieser politischen Phrasen ist, die mir immer wieder unterkommen. Heute geht’s aber natürlich nicht um Politik, sondern um’s Singen – eben um die Position des Kehlkopfs. Und darum, was diese mit unserem Gesang eigentlich macht.

(c) Henry Vandyke Carter and one more authorHenry Gray (1918) Anatomy of the Human Body Ein vielvfältiges Geflecht aus Muskeln sowie Bändern und Sehnen hält den Kehlkopf an Ort und Stelle oder bewegt ihn.

Die Basics, wie bewegt sich der Kehlkopf überhaupt?

Unser Kehlkopf (Larynx auf Latein bzw. Englisch) bewegt sich als Ganzes „in unserem Hals“ auf und abwärts beim Singen und Reden. Er „hängt“ dabei an einem komplizierten Geflecht aus Bändern und Sehnen am Zungenbein – aber auch mit den Strukturen rundherum ist er gut verbunden. Wenn du dich traust – und das nicht unangenehm für dich ist – such‘ mal deinen Kehlkopf, indem du von deiner Kinnspitze mit dem Zeigefinger sanft das Kinn nach hinten fährst. Meistens musst du dann gar nicht mehr abwärts den Hals entlang fahren, bis du den Kehlkopf findest – genauer gesagt den Schildknorpel, jener Teil, der bei vielen Männern meist als Adamsapfel zu sehen ist. Und wenn du jetzt einfach mal einen Ton summst und dann langsam nach oben gehst in der Tonhöhe (wie eine Sirene): Was passiert dann mit dem Kehlkopf? Yes, er geht mit nach oben. Außer du tust aktiv was dagegen. Etwa leicht gähnen, während du aufwärts summst. Probier das mal 🙂 Der Kehlkopf kann also bewusst tief gehalten oder „tief gestellt“ werden. So wie er beim Schlucken auf natürliche Weise nach oben kommt.

Wie bewegt sich der Kehlkopf beim Singen, wenn wir ihn einfach machen lassen?

Er wandert nach oben und unten – je nach Tonhöhe. Höhere Töne, höherer Kehlkopf – tiefere Töne, tieferer Kehlkopf. Außer wir beeinflussen ihn dabei – bewusst oder unbewusst. Da gibt’s eine Bandbreite, in der man agieren kann. Und hierbei gilt: Je höher der Ton, desto kleiner die Bandbreite, die wir haben, um mit der Kehlkopfposition zu „experimentieren“.

Warum und inwieweit kann man die Kehlkopf-Position denn beeinflussen?

Das frage ich dich: Was macht das denn mit einem gesungenen Ton, wenn wir etwa dabei ein bisschen gähnen? Die Klangfarbe wird dunkler. Oder allgemeiner: Der Klang verändert sich. Wenn wir denselben Ton – also dieselbe Tonhöhe – singen, während wir versuchen so zu klingen wie ein 7-jähriges Kind, dann wird der Kehlkopf dabei eher nach oben wandern und der Klang wird dadurch deutlich heller. Das ist eines der Werkzeuge, die wir zur Klanggestaltung nutzen können. Tiefer Kehlkopf schafft eine dunklere Klangfarbe, wie sie etwa im klassischen Gesang erwünscht ist.

Und diese Erkenntnis kann uns auch dabei helfen, hohe Töne zu bewältigen. Denn die meistens Sounds in der Höhe sind leichter, wenn wir eine hellere Klangfarbe wählen. Oder anders gesagt: Je höher wir singen, desto kleiner ist unser Spielraum in der Kehlkopfposition. Überzeichnet formuliert: Mit einem Mega-Gähn-Gefühl wirds mit dem hohen Belting-Ton nix werden. Aber vielleicht auch nix mit dem Ton in klassischer Klangfarbe. Vielleicht würde es auch beim klassischen Singen helfen, das „Tiefer-Kehlkopf“-Dogma für die höheren Töne zu vernachlässigen, die Töne erst mit „freundlicherem“ Kehlkopf und hellerer Klangfarbe zu erreichen – was dann oft leichter ist – und dann im Laufe des Übens langsam wieder die dünklere Klangfarbe beizumischen. Könnte so sein. Kommt auf die singende Person natürlich an. Eh klar.

Was kann ich daraus für mein tägliches Üben mitnehmen?

  1. In dir angenehmer Lage ist die Kehlkopf-Position ein super Werkzeug, am Klang zu schrauben. Es ist ein Klangfarbe-Werkzeug, falls du ein bisschen dünkler oder eben heller klingen willst.
  2. Bei hohen Tönen kann es hilfreich sein, ganz bewusst den Kehlkopf etwas höher zu denken. Etwa mit der Vorstellung, etwas kindlicher zu klingen. Das gelingt vielen etwa auf „eh“ oder „i“ leichter, also auf „Oh“ oder „Ah“. Warum? Weil die Zunge eher mithilft, den Kehlkopf hochzuhalten. (Manchmal übertreiben es Sänger*innen dabei natürlich auch… Es gibt nicht die EINE Regel für alle)
  3. Und im alltäglichen Singen kann uns die Kehlkopf-Position eigentlich egal sein. Lasst den Kehlkopf und sein Team ungehindert arbeiten! Letzerer Satz ist ohnehin ein guter Rat, beschäftigen wir uns beim Singen doch oft damit, Hindernisse und Verspannungen aus dem Weg zu räumen 🙂

Und letztens noch einmal eine Erinnerung: Tut das, was euch gut tut und was ihr nachvollziehen könnt. Die Kehlkopfposition ist in manchen Gesangsschulen/-techniken – siehe manche Klassik-Schule – oft eine Art Dogma. Kehlkopf muss tief! Oder bei „Speech-Level-Singing“ etwa: Der Kehlkopf muss Mitte (in Sprech-Lage bleiben)! Aber bei SLS bin ich wahrlich kein Insider, also vielleicht habe ich das Prinzip auch falsch verstanden. Jedenfalls kann es durchaus sein, dass verschiedene Coaches da ein bisserl verschiedene Zugänge haben. Ich sage: Der Kehlkopf darf alles – und manchmal soll er einfach mal machen 🙂 Und manchmal sagen wir ihm, wo’s lang geht.

Coming up on Vocalfriday #20

Das mischt sich (nicht)! Was heißt das eigentlich genau? Warum klingen manche Stimmen gemeinsam super-nice und andere klingen eher gegeneinander? Tipps fürs gemeinsame Singen und die Arbeit mit Stimmgruppen in Chören.

am 12.11. hier im Blog

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

3 Kommentare zu „#19 Lasst Mr. Kehlkopf und sein Team in Ruhe arbeiten!

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