Das mischt sich (nicht)! Was heißt das eigentlich genau? Warum klingen manche Stimmen gemeinsam supernice und andere klingen eher gegeneinander und konkurrierend? Tipps fürs gemeinsame Singen und die Arbeit mit Stimmgruppen in Chören!

Also schauen wir mal auf unsere netten Chorsänger*innen im Bild oben. Nette Gruppe, oder? Der Kerl mit den hellbraunen Haaren (zweiter von rechts, nennen wir ihn Fridolin) ist vielleicht einen zweiten Blick wert. Was fällt euch an Fridolin als Erstes auf, abgesehen von seinen leiwanden Justin-Bieber-Stirnfransen? Seltsame Frage jetzt: Stellt euch vor, wie er klingen könnte. Stellt euch seinen Klang vor. Und jetzt stellt euch vor, wie Mirko (der Schwarzhaarige, links außen) klingt. Alleine von dem, was ihr auf dem Bild seht.
Intuitiv würde ich nämlich sagen, die beiden singen entweder mit komplett unterschiedlichem Mode/Klang/Vokaltraktsetting oder Fridolin hat sich komplett im Wort vertan und singt gerade einen anderen Vokal. Worauf ich hinaus will: Fridolins Mundwinkel sind als einzige nach oben gezogen, er lächelt beim Singen. Die anderen zeigen ungefähr dieselbe Mundöffnung.
Es geht um die Klangfarbe!
Wir wollen jetzt nicht über den Gemütszustand von Fridolin spekulieren. Auch die anderen Sänger*innen haben sicher Spaß. Aber alleine im Gesichtsausdruck können wir einen anderen Klang vermuten, als bei den restlichen Sänger*innen der bunten Truppe. Breite Mundwinkel, evtl. sieht man seine Zähne beim Singen… da höre ich innerlich eher eine hellere Klangfarbe – als CVT-Trainee würde ich gar an den Mode Overdrive denken – während Fridolins Kolleg*innen „lange Gesichter“ machen, also ihre Münder beim Singen eher länglich geöffnet haben – vielleicht singen sie in Neutral.
Mein kleines Bildersuchrätsel ist natürlich rein hypothetisch. Kann sein, dass der Chor trotzdem super harmoniert. Stimmen „mischen sich“ in einer Gruppe am besten, wenn alle in einer ähnlichen Klangfarbe singen (und auch im selben Mode). Unter „mischen“ versteht man im Chor-Kontext eben, ob die Stimmen zusammen gut klingen. So, dass einzelne Stimmen aus dem Klangbett nicht hervorstechen und „rausfallen“. Das hat alles nichts mit „richtig“ oder „falsch“ singen zu tun. Es geht darum, wie die verschiedenen Stimmfarben der Menschen miteinander harmonieren. Je ähnlicher unsere Klangfarbe ist, die wir beim Singen verwenden, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir einen homogenen Klang erzeugen.
Konkret sein! Auch im Chor!
Als Chorleiter*in kann man da natürlich mit verschiedenen Tools versuchen, die Leute in eine Richtung zu stupsen. Mit Emotionen („Singt, als ob ihr verliebt wärt“), mit technischen Anweisungen („Mehr Twang“, „behaucht“, „nasal“, konkreter Mode) oder ich singe ihnen den Klang vor, den ich mir vorstelle und die Gruppe ahmt mich nach. Es gibt viele Möglichkeiten.
Es ergibt auf jeden Fall Sinn, wenn man länger mit derselben Gruppe singt und arbeitet, ein paar Basics einzuüben. Im Sopran etwa macht es im Klang natürlich einen riesigen Unterschied, ob jetzt Fifty Fifty der Leute einen Ton in „Bruststimme“ und „Kopfstimme“ singen, oder ob vier von fünf einen Stimmmechanismus verwenden und nur ein*e Sänger*in den anderen. Nicht alle Sänger*innen in einer Stimmgruppe haben logischerweise dieselben Stärken und Fähigkeiten. Aber die Richtung muss klar sein.
Im Idealfall sind ohnehin jene Sänger*innen im Sopran, die eher eine hellere Stimmfarbe als Grundsetting verwenden. Gerade bei nicht-professionellen Chören sind die Stimmgruppen oft so besetzt: Die, die gewohnt sind, in „Kopfstimme“ zu singen, sind im Sopran. Jene, die das gar nicht wollen, und fast ausschließlich gewohnt sind, in „Sprechstimme“ oder „Bruststimme“ zu singen, landen im Alt. Außer sie sind es nicht gewohnt, eine zweite Stimme zu singen. Bei den Männern ist das ein bisschen anders. Da landen oft tatsächlich eher die helleren Stimmfarben im Tenor und die dunkleren im Bass. Bzw. die technisch versierteren Sänger mit größerem Stimmumfang landen im Tenor, weil sie mit den höheren Tönen eher etwas anfangen können. Sorry, dass sollte jetzt kein Bass-Bashing sein.
Ist’s nicht so? Habt ihr da andere Erfahrungen? Wie immer soll das jetzt keine Generalisierung sein, sondern lediglich eine Beobachtung… 🙂 Es gibt immer Ausnahmen von der Regeln. Von Profis rede ich gar nicht.
Die Kunst des Klangmischens in einer Gruppe liegt neben der Zusammenstellung der Stimmgruppen tatsächlich in den konkreten Erklärungen des*der Chorleitenden.
So kann man das üben
Es könnten zum Beispiel mehrere Skalen helfen. Nicht im Sinne von Tonleitern… Sondern Skalen von eins bis fünf zum Beispiel. Etwa zum Thema „Twang“, dem Verengen des Kehlkopftrichters. Ein Mechanismus, der jedem Ton einen tragfähigen „Kern“ gibt, bishin zu „nervig“ (ohne Wertung… nur damit ihr wisst, was ich meine…) engem Country-Sound. Mehr Twang sorgt für hellere Klangfarbe. Meistens (wenn man im Chor nicht ganz so ins Detail geht), bewegt sich auch der Kehlkopf in die Höhe mit mehr Twang, die Zunge bleibt hoch und breit. Beides Elemente, die die helle Klangfarbe weiter unterstützen.
Die Twang-Skala kann man üben, etwa in einem Dreiklang oder einstimmig. Und die ganze Gruppe reagiert per Handzeichen der*des Chorleitenden. 1: gaaanz wenig Twang, 5: gaaanz viel Twang. Selbiges könnte man mit „Luftig“ probieren, also Töne mit hörbarer Luft („hauchig“). Von volle-Kanne-luftig zu gar nicht luftig (Für Besserwisser*innen: auch da spielt Twang natürlich eine Rolle. Stufe-5-Twang darf nicht gleich klingen wie Stufe-5-Unluftig). Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die „Heiße-Kartoffel“-Skala fällt mir spontan noch ein…. Wie groß ist die metaphorische „heiße Kartoffel“ in unserem Rachen. Haha. Das könnte zum Beispiel die tiefe Position des Kehlkopfs und das Heben des Gaumensegels „steuern“ bzw. „vereinheitlichen“. Kombiniert man die Zahl der Skala mit einem Handzeichen für die Skala selbst, könnte man so auch während des Dirigierens super an Dinge erinnern. Also: linke Hand zeigt eine 5, rechte Hand macht ein Handzeichen für „Twang“. Oder so. Ich muss gestehen, so weit hab ichs bis jetzt noch nicht getrieben, mit meinen armen Chören.
Manchmal genügen ja auch einfach Bilder oder Emotionen, die man leicht beim Chorleiten auch beim Dirigieren wieder in Erinnerung rufen kann. Unlängst hab ich beim „Theater im Neukloster“ bei einer Probe gesagt: „So singen, als würdet ihr gerade mit Kopfhörern im Ohr, putzen/staubsaugen und entspannt mitsingen“. Es hat gewirkt, der Klang hat sich unmittelbar massiv verändert und angeglichen. Und ließ sich auch leicht bei der CD-Aufnahme per „Staubsaug-Pantomime“ wieder in Erinnerung rufen. Sowas funktioniert fast immer. Wenn ich einen klassisch-höfischen Klang haben will, trinke ich meistens pantomimisch eine Tasse Tee mit abgespreiztem kleinen Finger und gehobener Augenbraue. Automatisch ändert sich das Klangbild der Sänger*innen. Und manchmal sorgen die Bilder, die mir spontan einfallen, auch für verwirrte Gesichter… Aber eine Kombination aus Bildern/Emotionen und konkreten technischen Dingen sind sicher eine gute Idee, um möglichst viele Sänger*innen in der Gruppe auch „zu erreichen“.
Es gibt viele Wege zu feinem Zusammenklang
Also. Chorklang ist im Wesentlichen das Vereinheitlichen der verschiedenen Stimmfarben, bzw. das Zusammenstellen ähnlicher Stimmen in den einzelnen Stimmgruppen. Sofern das eben gewünscht ist. Kann ja auch sein, dass der Klang sehr individuell sein darf 🙂 Passt etwas mit dem Klang nicht, können wir anhand von Bildern/Emotionen oder dem konkreteren Angleichen von technischen Elementen (Klangfarbe oder gar Modes, bzw. Funktionen/Register) den Klang angleichen.
Das alles lässt sich natürlich super in Einsingübungen verpacken, die auch Spaß machen. Einfach zu den Übungen, die einem schon zum Halse heraushängen, ein bisserl Klangfarbe üben. Oder „mit Kinderstimme“ oder „mit Gähnen“ oder mit einer bestimmten Emotion. Und immer schön darauf hinweisen, dass jede*r Sänger*in im Chor auf die eigene Stimme achten soll. Ist ja beim Einsingen in die Höhe auch so. Aufhören, wenn sich ungewollte Verspannungen einstellen. Und nicht jeder kann mit zum Beispiel mit „Twang“ gleich etwas anfangen. Das kommt ganz darauf an, wie viel Zeit wir auf diese technischen Details verwenden können.
Bis nächste Woche! Happy vocalfriday!
Coming up on Vocalfriday #21
Effekte. Das Topping auf dem Cupcake. Die Jalapenos im Burger. Die Knoten in den Stimmbändern? Es gibt viele Effekte, die wir mit unserem Vokaltrakt produzieren können, um unseren Tönen den besonderen „Umpf“ zu geben. „Distortion“ zum Beispiel. Aber das kostet extra! Energie und Technik! Es ist harte Arbeit. Worauf’s dabei ankommt und wie das überhaupt gesund sein kann, darüber plaudere ich nächste Woche!
am 19.11. hier im Blog