Effekte. Das Topping auf dem Gesangs-Cupcake. Die Jalapeños im Sound-Burger. Die Knoten in den Stimmbändern? Es gibt viele Effekte und Geräusche, die wir mit unserem Vokaltrakt produzieren können, um unseren Tönen den besonderen „Umpf“ zu geben. „Distortion“ zum Beispiel. Aber das kostet extra! Energie und Technik! Es ist harte Arbeit – für manche mehr, für manche weniger 😉 Worauf’s dabei ankommt und wie und ob das überhaupt gesund sein kann, darum geht’s diese Woche im #vocalfriday.

„Hat er wieder das Motorsagl aussigholt“, würde ein guter Freund von mir sagen, wenn ich mich bei einem Song dazu versteige, eine Stelle in einem Lied mit einem Effekt zu versehen. Übersetzt: Ich hätte die „Stimm-Motorsäge“ wieder ausgepackt. Also, wenn ich etwa Rattle einbaue (der „passiert“ mir am ehesten), oder vielleicht mal Distortion. Die genauen Unterschiede zwischen den einzelnen Effekten zu beschreiben, das führt hier zu weit. Aber so generell: Wenn wir in einem Song an die emotionalste Stelle gelangen, können Effekte eine zusätzliche Tiefe des Ausdrucks bieten. Oder wenn wir Charakterstimmen auf der Bühne brauchen, auch da kann Distortion als böse Hexe oder als Krokodil hilfreich sein.
Kurz gefasst: Effekte sind Töne plus Geräusche, die wir gleichzeitig in unserem Vokaltrakt produzieren. Wenn alles gut geht, schwingen unsere Stimmbänder bei einem rockig-verzerrten Ton ungestört, während andere Elemente darüber sich bewegen, sich dazugesellen. Aber natürlich: Es sind insgesamt mehr Muskeln inkludiert, der Vokaltrakt wird eventuell enger, wir brauchen mehr Power, die Luftstrom-Balance ist ein bisserl tricky. Das alles kann dazuführen, dass unsere Stimmbänder sehr wohl einer zusätzlichen Belastung ausgesetzt sein könnten. Konjunktiv. Aber das heißt eben nicht, dass man Effekte nicht auch lernen könnte. Alle diese Sounds können gesund erzeugt werden!
Wenn der Ton „unter“ dem Effekt technisch gut funktioniert, spricht also nichts dagegen, sich an einem Effekt zu versuchen. Es kostet eben extra. Extra Arbeit, extra Präzision, extra Support-Energie. Obwohl ich glaube, dass James Brown zum Beispiel das nicht ganz so beschreiben würde.
Gerade, wenn ich mit jemandem an Effekten arbeite, ist es super wichtig, dass der*die Sängerin gut auf sich selbst achtgibt und die eigene Stimme gut kennt. War das jetzt ein kleines Kratzen, das er*sie gefühlt hat? Oder war es lediglich ungewohnt unangenehm? Was ist „Bearbeiten von neuem muskulären Terrain“ – und was ist für die Stimmbänder tatsächlich nicht ideal? Einmal ein bisserl ein Kratzen zu spüren, ist jetzt kein großes Drama. Wenns beim dritten Versuch immer noch „leicht unangnehm“ ist, dann… müssen wir die Übung vielleicht leichter machen. Oder den Effekt wieder ruhen lassen. Als Coach höre ich da ganz genau auf die Singenden und frage oft nach, wie sich die Stimme anfühlt.
Ich möchte nochmal betonen: Effekte passieren großteils nicht auf Ebene der Stimmbänder. Manchmal sind’s die Stellknorpel, die ein bisschen vibrieren, oder die Taschenfalten („Falsche Stimmbänder“, Plicae vestibulares) oooder die Zunge oder alles in Kombination. Nur beim Creaking ist es ein Vibrationsmuster, das direkt die Stimmbänder selbst erzeugen. Allerdings bewegen wir uns hier auf geringerer Lautstärke. Und das heißt außerdem auch nicht gleich, dass es gefährlich ist…
Noch ein Paradoxon: Effekte machen den Ton leiser. LEISER. Weniger laut. Und das, obwohl wir meistens mehr Energie darauf verwenden. Der Effekt dämpft meistens die Lautstärke. Selbst bei Rock-Distortion. Die ganzen Extrem-Dark-Death-Oark-Metaller, die auf ihre harten Gitarren-Riffs grunten, wären ohne Mikrofon deutlich weniger beängstigend. Auch, weil die Mikros den Geräuschanteil des Tons super gut verstärken und den Ton dadurch mächtiger wirken lassen.
Eine schlechte (?) Gewohnheit ist noch kein Effekt
Beim Üben von Effekten wie ist es außerdem extrem wichtig, dass wir den Effekt jederzeit „an-“ und „ausschalten“ können. Also er muss jederzeit kontrollierbar sein.
Unwillkürliche Effekte können auch ein Zeichen für technische Defizite sein. Bei mir zum Beispiel gesellt sich bei höheren Tönen manchmal ein wenig Creaking dazu. Ohne, dass ich das wirklich will. Das kann ein Symptom mit vielerlei Ursachen sein: zu wenig/zu viel Support-Energie, falsches Vokaltrakt-Setting (Mode, Vokal, Zunge…). Jetzt könnte es aber sein, dass ich den Klang mit Creaking supergeil finde und somit immer so in dieser Lage singe. Auch weil ich vielleicht sogar Lob dafür bekomme. Ist ja auch „in“, ein bisschen kratzig und rau zu klingen. Und hier könnte es zum Dilemma kommen, dass ich meinem Hirn und meinen Nerven antrainiere: So singst du jetzt immer in den Höhen. Und das Creaking bleibt. Und ich kann es nicht mehr abstellen. Daher ist es so wichtig, beim Üben die Effekt-Phrase zwischendurch auch immer wieder ohne Effekt zu singen.
Oft bekomme ich die Frage gestellt, ob es gesund sei, wie diese*r oder jene*r Sänger*in singt? Joe Cocker zum Beispiel. Der lässt keinen Ton unkratzig. Das zu beantworten ist immer schwer. Manche singen ihr Leben lang in den absurdesten Sounds und haben nie Probleme damit. Manche singen superklar und handeln sich Probleme ein.
Für mich sind Laute, die nach ständiger Heiserkeit beim Singen klingen, eher ein Warnsignal. Wenn auch auf mittellauten Tönen „Luft“ zu hören ist. Wenn man beim Zuhören das Gefühl hat, da forciert jemand den Ton übermäßig. Ich nenne jetzt zwei Beispiele – und schicke einen Disclaimer voran: Das soll kein #shaming sein. Jede*r soll so singen, wie es ihm*ihr guttut (!) und gefällt. Es geht hier nur um meinen persönlichen Eindruck und keine Ferndiagnose, weil ich so leiwand und überschlau bin. Aber um Beispiele zu geben, bei denen ich mich einfach frage, ob sich das Singen für sie leiwand anfühlt: Für mich klingen Andreas Gabalier und Ben Zucker (siehe Video unten) aus dem Schlager-Lager so, als könnten sie ihre „Effekte“ eben nicht mehr abstellen und sie klingen ein bisschen „angestrengt“. Das würde ich bei Joe Cocker zum Beispiel nicht unbedingt empfinden. Aber wie gesagt: Was weiß ich schon? 🙂 Also wenn die beiden Herren das ohne Probleme so ausdauernd können, dann: Chapeau! In einem Interview mit dem deutschen Sender MDR hat Zucker einmal gesagt: „Ich sing‘ schon immer so und das hört sich eben so an. Mir fällt es schwerer, klar zu singen. Ich kann klar singen, aber das klingt dann nicht mehr wie ich.“
Alle, die mich ein bisserl besser kennen, werden wissen: Der Klemens ist jetzt nicht unbedingt der oarge Heavy-Metall-Freak. Stimmt. Aber Effekte kann man immer brauchen im Pop/Musical (Shakira, Xtina, Lewis Capaldi…, Judas/Jesus in „Jesus Christ Superstar“ und auch in den moderneren Musicals hört man oft Effekte). Und diese Welt ist beinahe ohne Grenzen – siehe Beatboxer, siehe so Geräusch-Comedy-Typen wie Michael Winslow („Police Academy“), der gerade wieder in der zweiten Staffel von LOL auf Amazon Prime Gastauftritte hat.
Also Übe-Möglichkeiten ohne Ende für uns alle. Aber es hat mir auf jeden Fall irrsinnig Spaß gemacht, mich mit vielen Effekten erstmals auseinanderzusetzen und sie auch in mein Teaching zu integrieren – wenn Interesse besteht natürlich. Bzw. übe ich immer noch (wenn ich die Zeit dazu finde und den passenden Nachbar-losen Raum zur Verfügung habe…). Denn jeden Effekt in jedem Mode in jeder Tonlage in jeder Intensität? Haha. Na, da wäre noch einiges zu tun. Hauptsache die Neugierde bleibt!
Wünsche euch einen schönen #vocalfriday und ein schönes Wochenende!
Safer Six: 27. und 28. November in Mödling (vermutlich müssen wir absagen)
Am nächsten Wochenende wäre ich erstmals mit den A-Capella-Jungs von „Safer Six“ auf der Bühne gestanden. Es wären die traditionellen Weihnachtskonzerte im Theresiensaal in Mödling am Programm gestanden. Samstag (27.) um 19.30 Uhr und Sonntag (28.) um 18 Uhr. Es wird wohl beim Konjunktiv bleiben … vorerst. Aber wir freuen uns über Likes auf Facebook, dann bleibt ihr immer up to date. Aber das bleibt ihr auch, wenn ihr etwa meinen Blog abonniert! Yay.
Coming up on Vocalfriday #22
Gedanken über die „Stütze“. Was ist das überhaupt? Wie kann man richtig „stützen“ oder „supporten“? Alles etwas verwirrend manchmal. Muss es aber nicht sein. Es gibt ein paar konkrete Dinge, die man als Sänger*in tun und ausprobieren kann, um länger, lauter, höher/tiefer singen zu können 🙂 Das Unpraktische an der „Stütze“: Sie muss immer wieder adaptiert werden. Mit „Bauch raus“ ist es jedenfalls nicht getan!
am 26.11. hier im Blog