Ein frohes neues Jahr und happy Vocalfriday once again! Kopfstimme – klar. Bruststimme? Kennen wir. Und dazwischen? Gibts da nix? Für viele, die zwischen den zwei Stimmgebungsmechanismen M1 und M2 große Unterschiede spüren oder die sich in der Mittellage unsicher fühlen, ist es wie die Suche nach dem „Heiligen Gral“ – die „Mixed Voice“. Quasi „halb Kopfstimme, halb Bruststimme“, evtl. sogar prozentuell mischbar. „Darf’s zehn Deka mehr Bruststimme sein im Mix heute?“

Und ich sage euch, „Mixed Voice“ ist ein Phantom, ein „Register“, das es nicht gibt. Aber wie immer ist alles nicht so einfach… Denn irgendwie gibt es „Mixed Voice“ eben doch. #schrödingerskatze. Was ich damit meine und wie wir uns dem Bereich stimmlich nähern können, darum gehts heute im #vocalfriday-Blog.
Warum es „Mixed Voice“ nicht gibt
Was ist „Mixed Voice“ überhaupt, bzw. was soll das sein? Nach meiner Wahrnehmung nennen viele Sänger:innen ein Klangideal, das nicht zu laut und dennoch einigermaßen kräftig ist. Wenn es in purer Bruststimme zu quetschig, zu anstrengend oder einfach zu laut wäre, dann wünschen sich viele ihre „Mixed Voice“ herbei. Schlanker, eleganter, leichter – aber nicht luftig, „hohl“, dünn… wie die Kopfstimme. Ihr seht schon, diese Adjektive, die ich da in den Ring schmeiße, sind etwas subjektiv und jede:r versteht etwas anderes darunter. Aber im Grunde ist es quasi der Bereich „zwischen Kopf- und Bruststimme“, den alle suchen. Ein Tonumfang-Bereich, in dem ich nach Bruststimme „hineingerate“, um fließend in die Kopfstimme zu gehen. Gibt’s dann gar zwei „Brüche“? Von Brust zu Mix, von Mix zu Kopf? Ich kann euch beruhigen, rein funktional gibt’s da nix dazwischen. Dass das manche Sänger für sich anders wahrnehmen, steht auf einem anderen Blatt. Deshalb muss es nicht gleich einen funktionalen Hintergrund haben.
„Mix“ würde ich also eher als ein Klangideal für die (höhere) Mittellage bezeichnen. Aber was machen Bruno Mars, Ariana Grande und all die Vokal-Akrobaten dann, wenn nicht „mischen“? Sie „stretchen“. Das mag im Endergebnis irgendwie dasselbe sein, aber für mich macht es schon einen wesentlichen Unterschied im Verständnis der Tonproduktion.
Warum es „Mixed Voice“ eben doch irgendwie gibt
In der rein klanglichen Wahrnehmung gibt es „Mixed Voice“ natürlich – ist eben Definitionssache – und eine eher umstrittene. Verschiedene Sänger:innen – verschiedene Interpretationen des Klangs, des Begriffs: ein bestimmtes Vokaltraktsetting, das jede:r anders beschreibt und weitergibt.
Was meistens dahintersteckt ist das Ausdünnen der schwingenden Stimmbandmasse durch „Stretchen“ der Stimmbänder. Wir reden da prinzipiell immer noch von der Bruststimm-Funktion – auch wenn es sich möglicherweise etwas anders anfühlt. Ich versuche also nicht (wie beim puren „Belting“) die Masse der Stimmbänder, die aufeinandertrifft und Schwingungen erzeugt, möglichst groß zu halten. Ich „dünne aus“ – aber nicht über den Punkt hinaus, an dem jene Muskeln übernehmen, die für die Kopfstimmfunktion hauptsächlich zuständig sind.
Das Stretchen der Stimmbänder ist ein bisschen ein Phänomen. Denn wie ihr vielleicht wisst: Je länger unsere Stimmbänder in die Länge gedehnt werden, desto höher wird auch der Ton (Gummiringerl-Beispiel). Doch wenn wir im Zusammenhang von Mix oder „Reduced Density“ sprechen, dann ist es eine andere Funktion des Stimmband-Stretchings, die uns ermöglicht höhere Töne mit weniger Energieeinsatz zu singen. Weniger Stimmbandkontaktfläche bedeutet auch, weniger Luftdruck einsetzen zu müssen – was nicht heißt, dass diese Art des Singens nicht auch viel Supportenergie benötigt.
Jetzt werdet ihr zu Recht sagen: Danke für nichts! Ohne Tricks, Klänge, bildliche Tipps, ist diese anatomische Herangehensweise genau gar nicht hilfreich. True that.
Curbing kann ein Weg sein
In der CVT ist der Mode „Curbing“ ein guter Schlüssel dazu. Ich sage scherzhaft oft „Raunz-Mode“ dazu. Weil der Klang – zumindest, um das Setting erst einmal zu finden – etwas Wienerisch-Sich-Beschwerendes hat. Inklusive Leidensmiene 🙂 Einer der Basis-Tricks dazu ist der sogenannte „Hold“, der uns in ein gewisses Vokaltraktsetting führt und den Klang etwas zurückgehaltender gestaltet.
- Stell dir vor, du willst im Wirtshaus bezahlen, erhebst die Hand, weil die Kellnerin kommt, willst gerade „Zahlen bitte“ sagen, doch sie geht an dir vorbei.
- Dieses „gestoppt werden“ im Reden, kurz bevor du den Luftstrom durch die bereits geschlossenen Stimmbänder geschickt hättest, dieses „Gefühl“ nimmst du in ein genervtes, mittelautes „Ooooida“ mit. (Oder einfacher noch ein „u“ wie in „Uno“)
- Lautstärke nicht zu gering! (Und nicht zuuu laut)
Und? Wie lief’s? Den „Hold“ solltest du während des ganzen Tones spüren. Es mag sich ein bisschen so anfühlen, als würde man in Kürze zu weinen beginnen. Es hilft anfangs, den „Glottisschlag“ zu Beginn des Tons, des „Oidas“ gut zu spüren. Wie gesagt, es ist ein Trick, der helfen „kann“, aber sich nicht jedem gleich erschließt.
Curbing funktioniert übrigens am besten (bzw. in Reinkultur „nur“) auf den Vokalen „u“ wie in „du“, „o“ wie in „oder“ bzw. dem ersten Vokal im englischen Wort „hungry“, was ich als „dreckig, genervtes a“ vielleicht umschreiben würde 🙂
Es kann auch helfen, den Ton zu Beginn stark in die Nase zu setzen. Nicht jederfraus Sache, I know. Kann aber nützlich sein, um vom „zu starken, zu lauten“ Bruststimmklang „ein bisschen runterzukommen „. Aber probier’s doch mal auf „u“, drei Töne hinauf und hinunter: 1-2-3-2-1. Frauen* starten auf e1, Männer* auf bb. Darauf achten, dass der Ton Lautstärke 5-7 von 10 hat 🙂 Und nicht in die Kopfstimme wechseln… Und nicht „pushen“… Alles nicht so einfach. Ein paar Tipps noch: hohes Gaumensegel, vor dem Singen an den „Hold“ denken, Kehlkopf von der Position her schön mit nach oben nehmen, wenns höher wird. Und nicht vergessen: Stoppen, wenn’s sich nicht gut anfühlt. Das ist wieder ein Moment, wo ich merke, dass ein GesangsBLOG ohne Soundbeispiele nur bedingt hilfreich ist. Dieses neumodische Youtube hat schon seinen Sinn… 🙂 haha. Aber da haben sich ohnehin schon einige CVT-Kolleg:innen ausgetobt, der liebe Martin Selle zum Beispiel. (Falls ihr mehr zu „Curbing“ jetzt sofort hören möchtet).
Es gibt keinen versteckten „Schalter“, auf dem „Mixed Voice“ steht
Jedenfalls: Sucht nicht nach einem unentdeckten „Register“. Das „Mischen“ von Brust- und Kopfstimme ist eher ein „Bild“ als anatomische Realität. Nicht unbedingt ein schlechtes. Manchen hilft das bereits: eine Oktav-Skala auf einem Vokal (oder „ba“, „wa“…) singen 1-2-3-4-5-6-7-8-7-6-5-4-3-2-1. In Bruststimme anfangen und nicht „heavy“ denken, sondern „immer leichter werdend“ nach oben gehen. Vielleicht gibt es dann Töne in der Skala, die sich für euch so anfühlen und anhören, wie ihr das möchtet, wie ihr euch „Mixed Voice“ vorstellt. Dann: Super! Übe und beherrsche, was du entdeckt hast. Für viele wird diese Übung aber möglicherweise in ein, zwei wackeligen Tönen enden, die dann in Kopfstimme rüberjumpen. Und „irgendwas in der Mitte“ zwischen Brust- und Kopfstimme ist dann etwas vage, um den Klang zu kultivieren. Aber wie immer gilt: Different strokes for different folks. Bei allem, was ihr hier im Blog lest: Probiert es aus, aber es ergibt sicher noch mehr Sinn, wenn wir es gemeinsam ausprobieren 🙂
Jedenfalls: Es geht bei der „Mixed Voice“ darum, die Funktion des Stimmband-Stretchens zu finden, des „ausdünnen“ der Stimmbandmasse – ohne dabei in die Kopfstimme zu flippen. Dabei helfen kann: ein Gefühl des Jammerns/Raunzens, der „Hold“, anfangs auch „Nasalität“, die „richtigen“ Vokale. Es gibt aber keinen Schalter, keine versteckte Tür, auf der „Mixed Voice“ steht, die wir öffnen können.
Wenn ihr den richtigen Sound – also den, den ihr euch wünscht – einmal gefunden habt, heißt es, dieses Pflänzchen langsam zu gießen. Dranbleiben. Range damit ausbauen, nicht gleich alle Vokale auf einmal probieren. Üben. „Rom wurde nicht an einem Tag erbaut“. Hätten wir diese Phrase auch nochmal eingebaut… Fragen? Meinungen? Frag! Sag! 🙂
Bis nächste Woche!
sau spannend! sehr hilfreich! danke!
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