#29 Lauter singen? So geht`s!

Happy vocalfriday! Heute wollen wir mal erkunden, was „laut singen“ überhaupt heißt – und wie wir unsere Stimme eventuell zu kräftigeren, stärkeren Klängen hinführen können. Was auch immer du hier (oder sonst wo in den Weiten des Internets) liest: Probier’s aus, und hör auf dich und deine Stimme. Sollte sich eine Übung, ein Klang nicht gut anfühlen oder sich eine Übung dir nicht gleich erschließen – dann lass es wieder sein. Und schreib mir, wenn du konkrete Fragen hast 🙂

Paradebeispiel für ein gutes Setup für laute Töne. Man fühlt den Ton richtiggehend… (c) StockSnap/Pixabay

Lautstärke ist für viele Sänger:innen ein Thema – der Wunsch nach „mehr Power“ liegt im subjektiven Allzeit-Ranking der Sänger:innen-Wünsche gleich nach „höher singen“ an zweiter Stelle. Denn Lautstärke bedeutet auch Ausdrucksstärke, die Möglichkeit evtl. ohne Mikrofon zu singen. Prinzipiell wird Lautstärke in Dezibel gemessen, auch wenn das irgendwie nicht die ganze Wahrheit ist… Aber Physik war noch nie meine Stärke. Hier haben’s naturwissenschaftlich-schlauere Menschen zu erklären versucht. Für mich als Sänger und Pädagoge ist relevant, was passiert mit meinen Stimmbändern? Ein Ton hat „logischerweise“ immer dieselbe Frequenz – egal wie laut ich ihn singe. Also: der berühmte Kammerton A4 (in Österreich als a‘ bekannt) hat etwa 440 Hz (je nach Orchester… :)). Singe ich also ein A4, so schwingen meine Stimmbänder also 440 Mal pro Sekunde (!). So oft „klatschen sie aneinander“ pro ! Sekunde ! – und es ist dabei egal, ob ich einen hauchigen Kopfstimm-Ton trällere oder mir das Beuschel* aus dem Körper belte. Es sind und bleiben 440 Schwingungen. Da ergibt es schon Sinn, dass es möööglicherweise eine andere Power, ein anderes Setting rundherum für den lauten Ton braucht – wenn die Stimmbänder „schwerer und dicker“ sind und „länger aneinander picken“ pro Schwingung, bzw. generell intensiver arbeiten. Während beim Kopfstimmton nur wenig Kontaktfläche „elegant“ 440 Mal aneinandergeschwungen wird.

Also: Lautstärke ist anatomisch gesehen auch vom Setting unseres Vokaltrakts abhängig. Wie viel Masse der Stimmbänder schwingt mit? Und natürlich: was macht der Vokaltrakt? Denn die wahrgenomme Lautstärke hat nicht nur mit dem Primärklang zu tun, den wir an den Stimmbändern erzeugen. Verengen wir ihn wie eine Kompressionskammer (Twang), haben wir vereinfacht gesprochen einen kleinen Megafon-Effekt. Wir heben Frequenzen hervor, die den Ton lauter erscheinen, ihn besser wahrgenommen werden lassen vom menschlichen Gehör/Gehirn.

Und noch ein anderer Aspekt, den ich hier noch vorausschicken will: Je höher ein Ton, desto lauter singen wir tendenziell (was angesichts der immer höher werden Hz irgendwie paradox klingt). Sopranistinnen in der Klassik etwa haben ja nicht unbedingt den Ruf „zu leise“ zu singen. Ganz im Gegenteil – sie nutzen ihren Vokaltrakt und Resonanzen perfekt aus, um sogar ein großes Orchester zu übertönen (so wie natürlich alle Opernsänger aller Stimmfächer natürlich).

Hier ein paar Dinge/Themen, die du üben/beachten könntest, wenn du lauter singen möchtest:

1) Nutze Twang und eher „metallische Sounds/Modes“

Erinnerst du dich an „Twang“, die Verengung des Kehlkopftrichters? Zum Finden des Sounds suchen wir gerne Hilfe im Tierreich. Bei der Ente etwa „Quäk“ oder beim Schaf „Bäh“. Der etwas scharfe, klirrende Sound hilft uns, Lautstärke aufzubauen. Keine Sorge, das heißt nicht, dass man quäkig singen soll. Twang gelingt uns auf Vokalen wie „eh“ oder „äh“ oder „öh“ ganz gut – wenn die hintere Zunge hoch steht und breit an den Backenzähnen liegt.

Was den „metallischen Sound“ betrifft, wie es bei CVT heißt: Wenn du zum Beispiel laut „hey“ rufst, weil du einen alten Bekannten auf der gegenüberliegenden Straßenseite einer viel befahrenen Straße siehst, dann wird dein Klang vermutlich eine Art „Kern“ haben, etwas Lautes, Durchdringendes (ohne allzu quäkig zu sein). Diesen „metallischen“ Sound suchen wir in der Lautstärke (wenn wir Bruststimme singen). Für die Klassik sieht’s bei Frauen in der Höhe ein bisserl anders aus – aber auch hier ist Twang der Schlüssel, der durch die dunkle Klangfarbe etwas verschleiert wird.

2) Meide die Kopfstimme in der mittleren bzw. tiefen Lage

Das baut auf den vorherigen Punkten auf – und gilt vor allem für Stimmen, die während der Pubertät nur minimal sinken (Frauen*) . In der Kopfstimme wird euch vom G4 (g‘) abwärts die Power ausgehen. In tieferen Lagen laut singen? Hier hilft nur: sich mit der Bruststimme und den Sounds, die sie bietet, anfreunden. Es gilt also, den berühmten Übergang zu trainieren und neue Klänge zu erforschen.

3) Mach den Mund auf 🙂

Ein Zaubertrick, der etwas banal klingt, aber doch auch vielen am Anfang hilft. Vor allem in der Höhe und Tiefe: Mund aufmachen beim Singen!

4) Vermeide Luftgeräusche, keine hauchigen Töne bitte!

„Added Air“ und lautes Singen vertragen sich nicht wirklich. Wir suchen klare, laute Sounds. Übrigens mindert jeder Effekt (auch Distortion und Co) de facto die Lautstärke, es wirkt nur nicht wirklich so, da die Energie hoch bleibt und die Emotion direkter wirkt.

5) Ausreichend/mehr Stütze/Support

Über Stütze und Support werde ich noch Dutzende Blogeinträge füllen. Das Thema ist halt immer wichtig. Wer generell Probleme damit hat, laut zu singen oder zu reden (bzw. Brustimme zu finden), für den heißt es vermutlich: Energie aufbauen. „Widerstand“ in der Ausatembewegung in den Rippen, im Bauch finden. Den Körper wirklich „ready“ machen. Sich zum Beispiel bewegungsbereit hinstellen, sodass du nicht umfallen würdest, wenn ich dich anrempeln würde. Aber NICHT die Muskeln anspannen und halten (nicht pressen!). Aber „ready“ sein. Zeitlupen-Samba-Tanzen!

6) Lautstärke braucht Energie – aber „wenig“ Luftstrom!

Dieser Punkt ist ein bisserl eine Fortsetzung von Punkt 5. Wenn du laut singen willst, versuche nicht, Luft durch deine Stimmbänder zu „pressen“. Laut singen ist – für mich jedenfalls – ein wirklich befreiendes Gefühl. Mein Körper ist aktiv dabei, nicht „zuzumachen“, nicht zu pressen. Laut singen fordert meinen Körper, die Energie, den Luftstrom gut zu lenken – die Luft zurückhalten. Ein lautes, langgezogenes „Heeeeeey“, das sich gut anfühlt, wird kaum einen Luftstrom auf deinem Handrücken spürbar machen (wenn du die Hand vor deinen Mund hältst 😉 ) Laut singen heißt nicht nur pushen, pushen, pushen. Wo sich der Kreis zu meiner Einleitung schließt: Es muss sich „gut“ für dich anfühlen, wenn du laut singst. Es ist die hohe Kunst, eine doch recht starke Luftsäule kontrollieren zu können.

Also immer langsam machen. Ein klein wenig muss man sich auch trauen und sich an laute Klänge gewöhnen. Viele Sänger:innen scheuen sich davor, weil das innere Ohr schon Alarm ruft – zu laut, zu schrill, zu …. Aber da ist eben jede:r anders. Weswegen Blogs, Youtube und Bücher immer nur eine Seite der Medaille sind. Und ein One-on-one-Coaching ist die manchmal etwas glänzendere andere Seite derselben. #werbeeinschaltung :p

Go for it!

*Beuschel ist ein österreichisch-umgangssprachliches Wort für Lunge. In der Kulinarik steht der Begriff übrigens für die „oberen Eingeweide“ eines geschlachteten Tieres. Danke Wikipedia!*

*Frauen mit Sternchen in diesem Fall. Ich bemühe mich in meinen Texten, die Sprache möglichst inklusiv zu gestalten. In diesem Fall ist es mir nicht ganz gelungen – im Sinne der Verständlichkeit. Die Gesangspädagogik ist schon „arg“ in Männer und Frauen geteilt irgendwie… Denn großteils betrifft das natürlich Frauen – dass in der Kopfstimme im „Alltag“ gesungen wird und dadurch in der Tiefe die Power fehlt. Allerdings eben auch biologische Frauen, die sich als Mann identifizieren und deren Transition samt Hormonen und damit verbundenen Stimmbruch noch bevorsteht. Insofern ist der Terminus „Frauen“ eben nicht ganz inklusiv.

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

Ein Kommentar zu “#29 Lauter singen? So geht`s!

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