Es ist dieser Alptraum, den doch jede:r einmal hat: Man steht auf einer Bühne und soll singen/schauspielen und weiß nicht welches Stück. Verschärfte Traum-Variante: das ganze noch nackt. Es ist das völlige Ausgesetztsein dem Publikum, den wartenden Augen. Selbst im Falle, dass es die bekleidete Traumvariante ist – man ist völlig nackt.
Okay, Gänsehaut bekommen? Es ist schon etwas verrückt, sich vor andere Leute hinzustellen und zu singen zu beginnen. Man macht sich verwundbar, man ist der Beurteilung, den Augen anderer ausgesetzt. Man öffnet sich und kehrt sein Innerstes nach außen.
Und doch nehmen wir diese Situation so unterschiedlich war. Für manche ist es genau dieser Kick, den es ausmacht, auf der Bühne zu stehen – ohne Kompromisse oder gar Selbstreflexion.

Mit Rationalität kommt man in solchen Situation nicht unmittelbar weiter. Fakt ist dennoch: Wenn es nicht gerade eine Prüfungs-/Audition-Situation ist – was hat man schon zu verlieren? Und selbst wenn es eine Audition ist, ist es eigentlich dieselbe Frage: Was hast du zu verlieren? Was hilft es, sich fürchterlich vor dem Scheitern zu fürchten? Ändert es etwas an der Performance, außer dass sich Nervosität einschleicht?
Aber Prüfungsangst ist noch einmal eine andere Art von Bühnenangst oder Lampenfieber. Mein Geheimrezept – nicht wirklich geheim… – ist Visualisierung. Und natürlich üben… Und das Visualisieren üben.
Stell dir vor, wie du auf die Bühne gehst! Was siehst, riechst, machst du?
An dieser Stelle sei gesagt, dass ich natürlich kein Experte für diese Situationen bin und auch in meinen Coachings nur bis zu einem gewissen Grad helfen kann. Schließlich bin ich Sänger und Gesangslehrer und kein Mentalcoach. Aber als Vocal Coach gilt es, erst einmal (wieder) Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Also Üben – ohne sich ständig zu hinterfragen. Schon das Vorsingen in einer Gesangsstunde kann ungewohnt und eine erste Hürde sein. Selbstvertrauen finden, heißt auch, sich Fehler verzeihen zu können. Mit den Gedanken nicht am Fehler hängen bleiben. Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Auch Stresssituationen kann man durchaus simulieren. Zum Beispiel mitten im Song anfangen – auf Zuruf zu einem gewissen Takt springen – plötzlich die Tonart ändern, Tempo ändern. Das macht als Korrepetitor (Klavierbegleiter) natürlich Spaß – empfiehlt sich vielleicht aber erst in der letzten Phase der Vorbereitung, wenn das Programm wirklich schon gut steht. Und behutsam. Da braucht es Fingerspitzengefühl. Schließlich geht’s darum, Selbstvertrauen aufzubauen und nicht zu zerstörten… Also laaaangsam den Schwierigkeitsgrad erhöhen.
Aber ein guter Tipp kann es sein, sich die jeweilige Auftrittssituation öfter (und positiv) vorzustellen. Wir reden in Coachings oft die spezifische Situation (mit geschlossenen Augen, wenn’s hilft) durch. Wir simulieren die Situation mit Aufgang auf die Bühne (zB), mit dem Hinsetzen zum Klavier, dem Umschnallen der Gitarre. Handgriffe, die automatisiert sind, die Ruhe bringen. In Ruhe durchatmen. Lächeln falls Bedarf. Wohin fällt der Blick, bevor es losgeht. Welche Sätze kann man sich still sagen zur eigenen Bestärkung. Zum Beispiel: „Ich freue mich hier zu sein und ich liebe dieses Lied“. Oder: „Ich falle in die Musik“ … oder so. Waren jetzt spontane Beispiele. Das immer und immer wieder Visualisieren des Auftritts – und sei es auch nur der Geburtstagsauftritt für die Urstrumpftant – kann wirklich eine Hilfe sein, mit der Situation im „Ernstfall“ besser zurechtzukommen. Inklusive des Visualisierens des Erfolgs und des guten Erlebnisses.
Ich persönlich habe keinen fixen Satz zur Selbstverstärkung. Was ich zuletzt wieder gelernt habe, ist jedenfalls: mir selbst mehr zu vertrauen. Ich hab wirklich schon die absurdesten Texthänger überlebt. Texte sind mein Hasenfuß. Und ich sollte mir das eigentlich gar nicht einreden. Ich damerk mir schon recht viel. Nur auf der Bühne habe ich den Drang, geschwind, geschwind vor jedem Lied die erste Strophe durchzudenken… Das Ergebnis oft: Paaaaanik. Stattdessen sollte ich mir vielleicht sagen: „Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und die Menschen zu unterhalten. Ich lasse mich in die Musik fallen“. Dann hab ich wenigstens einen Satz parat, wenn ich doch ‚mal wieder einen Texthänger hab.
Also: Keine Angst vor Fehlern, das Dargebotene logischerweise längst beherrschen (leichter machen, falls möglich/nötig), nicht an kleinen Fehlern „hängen“, sich das Performance-Szenario inklusive gutem Gefühl dabei gut vorstellen, einen Plan B haben, falls sich ein Fehler einschleicht. Und an sich selbst Freude haben und an sich glauben. Generell keine guten Ratschläge. Dann wird’s schon klappen. Und was auch immer gut hilft vor Auftritten/Prüfungen jeglicher Art: mindestens eine Minute Supergirl-Pose. Das sagt sogar die Wissenschaft.
