Es ist geradezu absurd, wie unterschiedlich Menschen „Stütze“ bzw. „Support“ wahrnehmen, spüren und umsetzen. Diese beiden Begriffe (Stütze und Support) verwende ich übrigens synonym. Worum geht’s also eigentlich? Den Luftstrom so zu führen, damit der Ton/Klang, den du singen willst, auch gesund aus deinem Mund kommt. Und das vielleicht länger als zwei Sekunden lang. Und das ist ein schmaler Grat. Zu viel Luft, zu viel Druck – und wir strapazieren unsere Stimmbänder und müssen quasi mehr Kraft darauf verwenden, mit diesem Überdruck irgendwie klarzukommen. Zu wenig Druck, zu wenig Luft – und den Stimmbändern fehlt die nötige Energie, um perfekt zusammenzukommen und sich wieder zu lösen (und das Hunderte Male pro Sekunde). Und jeder Ton, jeder Mode (Klang) braucht eine andere Energie im Support. Und das wiederum abhängig von Gewohnheit und Übung des*der jeweiligen Sänger*in.

Jetzt muss man die Sache nicht unbedingt kompliziert machen. Obwohl das so etwas wie mein Hobby wäre… :p Manchmal passt es auch haargenau mit der Stütze. Nicht jeder Ton braucht massive Aufmerksamkeit in Technik und Atemstromkontrolle. Das wollen wir mal im Hinterkopf behalten.
Nicht vergessen, jede*r Sänger*in ist individuell. Da kann so ein generalisierender Blogeintrag nicht jeden Einzelfall umfassen.
„Nur“ das Zurückhalten von Luft
Die erste Definition von Stütze in der „Complete Vocal Technique“ ist zum Beispiel: „das Zurückhalten von Luft“. Und das macht durchaus Sinn. Wir verlängern den Ausatemprozess, singen langgestreckte Vokale sozusagen. Dabei wollen wir nicht schon in der ersten Silbe alle Luft wieder – wie ein Luftballon ohne Knoten – wieder ausstoßen. Wir wollen den Ton kontrollieren, unsere Phrasen lang genug singen können.
Aber Support ist meiner Meinung nach (festhalten, Leute!) durchaus auch irgendwie das Gegenteil von Zurückhaltung: Nämlich mehr Luftdruck aufbauen. „Druck“ ist beim Singen immer ein verpönter Begriff. Aber es ist einfach Physik. Für manche Klänge (Belten zB) brauche ich eben einen höheren Druck unter den Stimmbändern (subglottal), damit das System überhaupt funktioniert. Wenn ich zu wenig Druck gebe, zu lasch bin, wird mein gerufenes, lautes „Hey“ in die Kopfstimme wandern oder nicht wirklich metallischen, lauten Charakter haben. Erst, wenn ich die nötige Energie aufbringe, eben ein bisschen den Luftstrom unterstütze, wird’s klappen. Eeeeben: ein schmaler Grat.
Und da haben wir schon das erste scheinbare Paradoxon. Ein gehauchter, leiser Ton, der uns womöglich wenig Energie kostet, verbraucht mehr Luft. Wir spüren die Luft auf dem Handrücken, wenn wir den Test machen (beim Ton die Hand vor den Mund halten). Beim lauten, kraftvollen Ton das Gegenteil: kein/kaum Luftzug spürbar. Weil die Stimmbänder in einem Setting sind, in dem sie viel Luft quasi blockieren: in einer Schwingung sind sie prozentuell lange geschlossen. Es kann also durchaus ein Gedanke sein, „die Luft zurückzuhalten“, also vielleicht „nicht zu pressen“, den „Ton kommen zu lassen“, auch bei einem Belting-Ton. Aber nicht für Sänger*innen der Kategorie „Slappfisk“.
Komm schon, mach‘ mal lauter
Das ist ein Wort, das ich in Dänemark aufgeschnappt habe. Ist mehr eine Redensart. Hat also natürlich nichts mit „offizieller“ CVT zu tun – aber viele Sänger*innen, besonders Anfänger*innen, müssen erst einmal lernen, wo und wie und auch warum sie überhaupt stützen sollen. Und sie sind „Slappfisks“, „Schlappfische“ – humorvoll gesagt. Sie sind „letschert“, wie man in Wien vielleicht sagen würde. Keine Körperspannung. Keine den Atemstrom unterstützende Muskelaktivität. Bäm.
Und da kommen wir zu einem netten kleinen Wort namens „Resistance“. „Widerstand“. Ganz unpolitisch. Wenn wir ausatmen (also auch beim Sprechen und Singen) ist es nur natürlich, wenn der Bauch nach innen kommt (wegen des Zwerchfells, das sich wieder zusammenzieht). Diese natürliche Einwärtsbewegung des Bauches kann ein gutes Steuerelement sein. (Und dafür gibt es noch viele andere Tricks und „Orte“ an denen man das spüren kann. Und manche Sänger*innen spüren wieder genau gar keine natürliche Bauchbewegung. Auch okay. Nur nichts aufzwingen.) Die Frage ist, wie schnell kommt unser Bauch nach innen. Ohne jegliche Resistance des Zwerchfells? Oder mit? Hindern wir unseren Bauch am „Hineinziehen“? Sodass er langsamer arbeiten kann – mit Widerstand eben. Das wäre Resistance. Aber die Resistance darf nie größer sein als die Einwärtsbewegung des Bauches. Der Bauch gewinnt immer. Aber den Grad der „Resistance“ bestimmen wir. Und dieser Grad kann von Ton zu Ton massiv unterschiedlich sein. Der Grad ist ein schmaler Grat.
Aber für Anfänger*innen-Slappfisks kann das Gerede über Bauch hier und da auch zu kompliziert sein. Am Anfang genügen vielleicht kleinere Gedanken/Bewegungen, um Körperspannung überhaupt einmal zu spüren.
- Sich so hinstellen beim Singen, als könnte einen jederzeit jemand umstoßen (man das aber verhindern wollen)
- einen (unsichtbaren / echten) Kasten verschieben
- für einen 100-Meter-Sprint ready sein (vor dem Startschuss)
Aber iiirgendwann recht bald könnte/sollte/darf es doch etwas konkreter werden. Ein erster Trick könnte sein, die Hände in die Hüfte legen (die „weiche“ Stelle zwischen Brustkorb und Beckenknochen). Was passiert an dieser Körperstelle, wenn wir nichts machen beim Singen? Probiert mal: Hände in die Hüfte, ausatmen, einatmen. Beim Ausatmen geht dieser Bereich auch nach innen. Vielleicht nicht viel, aber doch ein bisschen. Wir können diese Bewegung versuchen zu bremsen. Wir können versuchen dort „offen“, „weit“ zu bleiben. Und das können wir auch mit unseren Händen machen, bzw. spürbar machen. Wir drücken mit unseren Händen in die Hüfte (schon mit ein bisschen Power, aber tut euch nicht weh…) als würden wir eine Wespentaille bei „Germany’s Next Topmodel“ formen :p Aber wir arbeiten mit unseren Muskeln „von innen gegen unsere Hände. Es ist – wie immer – ein „Kampf“ der Muskeln, okay, besser ein „Gegenspiel“. Mit unseren eigenen Händen (die nach innen drücken) sorgen wir für Widerstand, der dann irgendwann auch ohne Gegendruck von innen quasi selbst erzeugt werden sollte. Aber lasst euch nicht irritieren: Die Bewegung in der Taille ist minimal. Es ist kein Pressen nach außen, nicht missverstehen. Es ist lediglich eine Art graduellen Widerstand für die Ausatmung. Und die Ausatemmuskeln gewinnen immer!
In dieser Taillenbewegung können wir Stütze auch gut messen. Wie so vieles ist auch Stütze nicht 0 und 1. An oder Aus. Es ist sozusagen eine stufenlose Skala. Und je weniger wir aktiv machen müssen, desto angenehmer auch für uns Sänger. Es kostet nicht so viel Energie. Dieses Einteilen des Supports kann auch eine wichtige Erkenntnis sein (für mich war’s das zumindest).
Also: Gehörst du eher zu Kategorie Slappfisk? Keine Sorge, das sind wir doch alle Mal. Und das beste: wir können was dagegen tun… Für’s erste: Trau dich laut zu sein und deinen Körper zu spüren. Stelle deiner Ausatemmuskulatur etwas entgegen – nur minimal. Sei aktiv. Fühlt’s sich richtig an beim Singen? Dann isses das auch. Ist es verwirrend, bzw. bringt nichts? Dann lass es mal weg und wir plaudern mal in einer Session drüber 🙂 Nicht alles erschließt sich immer auf den ersten Versuch.
Nächste Woche geht’s um Sänger*innen, die das Gegenteil von Slappfisk sind – so wie ich manchmal. Zu viel Spannung, zu viel Push, zu viel von Vielem. Ich suche noch nach einem netten Tiernamen dafür… 🙂 Tense-Tigers? Boa Constrictors? Ich erwarte eure Vorschläge… 🙂 Was Skandinavisches wäre nett.
2 Kommentare zu „#38 Wie stütze ich richtig? Don’t be a Slappfisk!“