Und, wie ist dein Vibrato so? Eher ausschweifend? Unkontrolliert und wobbely? Schnell oder gar hektisch? Zu schnell? Oder eben: gar nicht existent? Falls Letzteres der Fall ist: damit bist du nicht alleine! Viele Sänger:innen wünschen sich, ein Vibrato auf ihre Töne setzen zu können, als Effekt. Weil es in unserer Kultur für gehobene Kunst steht, wir den Klang als besonders angenehm empfinden und es unsere Hörgewohnheit ist – zumindest teilweise. Und umso frustrierender, wenn das Vibrato „einfach nicht kommt“.
Erst einmal: nicht verzagen! Auch Vibrato kann man lernen. Oft hört man Sätze wie „na Vibrato kommt schon, wenn der Ton ‚frei‘ ist“ oder so. Das mag schon manchmal so sein. Es gibt auch Vibrati (ist das der Plural, den man verwenden sollte?…), die nichts mit einem technisch sauberen Ton zu tun haben – oder im Gegenteil: von einem unsauber (technisch oder Intonation) gesungen Ton ablenken (sollen).
Viel hängt schon von Hörgewohnheiten zusammen und schlichtem Nachahmen in Kindheit und Jugend. Ich kann mich zwar erinnern, dass ich in manchen Gesangsstunden in meiner Teenagerzeit über Vibrato durchaus gesprochen habe, aber ich kann mich nicht erinnern, Vibrato „erlernt“ zu haben. Und mittlerweile versuche ich eher, meine Vibrato-Drehzahl besser zu kontrollieren, um nicht zu ganz so in die Richtung zu gehen wie Ben Platt, den ich zwar als Sänger absolut verehre, mir sein Vibrato aber mehr und mehr auf den Wecker geht. Dies ist natürlich Geschmackssache und hat nichts mit Objektivität zu tun natürlich. Und Ben wird’s wurscht sein. Ich bleib‘ ohnehin Fan. Hier eines meiner Lieblingslieder mit ihm – und hört mal auf sein Vibrato-Tempo:
Und auch mein Vibrato hat durchaus Tendenz zum flotten Tempo… Und manchmal stört’s mich. Bei mir ist das oft eine Frage des Supports. Aber genug von mir 🙂 Wichtig: Vibrato lernen ist möglich, aber man braucht Geduld. Wer sein Leben lang ohne singt, für den ist dieser zusätzliche Effekt ein Hirn- und Muskelgedächtnis-Aufwand. Aber das heißt ja nicht, dass man es nicht einmal ausprobieren kann. Denn für den EINEN Schlusston in der Mega-Ballade zahlt sich das als Effekt durchaus aus. Muss ja nicht auf jedem Ton sein.
Ja, Vibrato ist einfach ein Effekt, den wir (kulturell gelernt) als „schön“ empfinden. Der Effekt ermöglicht uns, Tönen scheinbar mehr Kraft oder Freiheit oder Emotion mitzuschicken. Der Ton wirkt „lebendiger“. Es ist gar nicht so leicht, die Wirkung zu beschreiben. Vibrati sind Stilmittel des Gesangs. Und wie bei allen Effekten gilt: Der Mode (der Klang, der Ton) „unter“ dem Effekt muss zunächst einmal sicher und ohne Troubles sein, bevor wir noch eine Schippe Vibrato drauflegen. Und: Ein Effekt darf nicht das gesamte Singen „kapern“. Vibrato muss kontrolliert werden können, um es wirklich zu beherrschen. Also: Kommt bei jedem Ton unwillkürlich Vibrato, ohne dass ich das lenken könnte, dann gabat’s* auch ein kleines Warnlämpchen, das zumindest in meinem Coach-Hirn aufleuchten würde.
Teil 1 – Wenn der Hammer zuschlägt
Es gibt mehrere Arten, wie Vibrato erzeugt werden kann. Ganz wertfrei hat jede seine Berechtigung – je nach Stil und Klangwunsch. Die meisten Sänger:innen wollen sich eher im Bereich „Pulsierendes Vibrato“ (Ben Platt!) oder „Kehlkopfvibrato“ ausprobieren. Die dritte Art wäre das „Hammervibrato“, das doch ein wenig anders entsteht als die beiden anderen – nämlich durch einen unterbrochenen Luftstrom. Ein moderneres Beispiel für Hammervibrato wäre Fiona Apple, Ende der Strophe ab Sekunde 0:30:
Hammervibrato kann man zum Beispiel mit „h“-Ansatz üben, im Rhythmus. Das ist wie Kichern. Ein Metronom aufdrehen, erst die Achteln, dann Achteltriolen, dann Sechzehnteln auf hi-hi oder ha-ha oder was auch immer für ein Vokal gut klappt. Wieder ein wenig anders klingt es, wenn man statt einem „h“ einen „abrupten“ Stimmansatz vulgo „Glottisschlag“ setzt. Mehr so Marke Maschinengewehr… i-i-i-i-i-i-i…. jedes Mal schließen die Stimmbänder und unterbrechen den Luftstrom und es „ploppt“ jede Mini-Vibrato-Einheit. So wie der Lacher von Janice in der TV-Sitcom „Friends“.
Das kann man gut üben und reeeelativ leicht implentieren. Aber wie gesagt, es ist selten der Klang, den sich Sänger:innen wünschen, wenn sie sagen, sie wollen lernen, wie man mit Vibrato singt. Ich glaube sogar – und jetzt haltet euch fest, es kommt eine total unüberprüfte Aussage: So manche:r Sänger:in ist im Hammervibrato gelandet – auf der „verzweifelten“ Suche nach einem Weg, Vibrato nachzuahmen. Aber prinzipiell ist es natürlich eine freie Wahl. Wie wir „Kehlkopfvibrato“ üben können, darüber schreibe ich nächste Woche im #vocalfriday. Bisschen Gedu-u-u-u-ld noch.
Als Einstimmung auf nächste Woche: Probiert mal einen Halbtonschritt immer schneller werdend zu singen – also zum Beispiel c-c#-c-c#-c….. auf einem Vokal, ohne „h“, ohne Glottisschlag. Ein schönes Vibrato umfasst natürlich im Idealfall nicht wirklich einen Halbton und fühlt sich im Idealfall nicht an wie zwei verschiedene Töne – das wäre weird. Aber es kann ein Anfang sein. Und ja: Manchmal ist Vibrato einfach nur ein schnelles Wechseln der Tonhöhe. Jedenfalls: Beim Vibratoüben nicht verzagen, aber konsequent sein!
Fortsetzung folgt nächste Woche!
*gabat’s ist ein schöner umgangssprachlicher Konjunktiv bei uns in Ostösterreich. Also „gäbe es“ auf Hochdeutsch.
Die nächsten Termine mit der Acapella-Gruppe „Safer Six“
Programm „Sound of Cinema“
Freitag, 3. Juni: Kulisse, Wien
Freitag, 1. Juli: Schloss Gloggnitz
Samstag, 27. August: Kulturhof Mödling
Freitag, 2. September: Schloss Katzelsdorf
Alle Infos dazu auf unserer Homepage!
Tipp: Musical „Godspell“ in Wiener Neustadt FR/SA/SO 20./21./22. Mai
Das Ensemble des Theaters im Neukloster in Wiener Neustadt spielt eeeendlich wieder „Godspell“ (nach 1998 und 2003). Eigentlich wär’s ja 2020 schon geplant gewesen. Tolle Musik von Stephen Schwartz, tolle Sänger:innen, tolle Choreografien. Eine humorvoller und interessanter Theaterabend. Ja, mit Bibelkontext. Aber Empfehlung auch für alle Nicht-so-close-mit-Jesus-Menschen, das könntet ihr euch ruhig trotzdem geben… auch wenn ich nicht selbst auf der Bühne stehe. Termine noch bis 28. Mai. Schaut vorbei und plaudert mit mir in der Pause.
Infos und Tickets: www.theaterimneukloster.at
Ein Kommentar zu “#44 Vibrato, Vibratohohohoho!”