Kinn beim Singen nicht vorschieben oder sonst wie anspannen! Check? Check! Dann ist ja eigentlich eh schon alles gesagt. Ich persönlich bin ja ein leidenschaftlicher Unterkiefer-Vorschieber beim Singen. Und das ist jetzt nichts, worauf man stolz sein sollte… Natürlich hat sich das Level an Kieferverspannungen in den letzten Jahren bei mir massiv reduziert, je mehr ich mir mit aktiver Gesangstechnik helfen konnte, aber in gesanglichen Sackgassen passiert mir das schon noch oft genug, dass meine Unterkiefermuskeln das Kommando übernehmen. Es ist wirklich eine blöde Angewohnheit. Und die Frage ist: Warum sollte es beim Singen helfen, das Unterkiefer anzuspannen? Waaaarum? Die kurze Antwort: Es ist eine Ersatzhandlung. Es ist ein Fight gegen Verspannungen, vielleicht an anderer Stelle. Ein übermäßiger Kraftakt, der dem Singen eigentlich eher hinderlich ist. Andere spannen vielleicht die Finger an, oder den rechten Arm. Alles nicht ideal und hindert uns, den Luftstrom gut zu führen und die Stimmbänder dabei zu unterstützen, was sie am besten können: beim stretchen und schwingen 🙂

Die Sache ist die: Der Kehlkopf schwebt ja nicht einfach frei im Hals irgendwo herum. Er ist mit Bändern und Sehnen oben am Zungenbein „befestigt“. Und er ist generell mit seiner Umgebung verbunden. Uuuund er besteht ja nicht aus Knochen, sondern ausschließlich aus Knorpeln, ist also auch biegsam, flexibel bzw. leicht manipulierbar in gewisser Weise. In Kombination mit den Muskeln, die vom Kiefer weg gehen, teils über den Hals verlaufen, ist das aber eine gefährliche Kombi. Es ist leicht möglich, dass wir dem Kehlkopf seine Freiheit nehmen, wenn wir die Kiefermuskulatur anspannen und/oder das Unterkiefer* etwa nach vorne schieben. Bei hohen Tönen hindern wir den Kehlkopf so zum Beispiel daran, evtl. ein wenig nach oben zu kommen, um ausreichend Platz für die Stimmbänder (höhere Töne = längere, gestrechtere Stimmbänder) zu schaffen. Wir kreieren eine Spannung, die uns am gefühlt freien Singen hindert. Was also tun?
Finger in den Mund!
Da hilft nur Selbstkontrolle 🙂 Und Achtsamkeit. Also, Finger in den Mund! Und zwar den Zeigefinger mit der Spitze hinter die oberen Schneidezähne setzen (als würdest du nach oben zeigen). Das Unterkiefer fallen lassen und eher „nach hinten“ fallen lassen. Dein Finger blockiert also jetzt sozusagen deinen Mund, du kannst ihn nicht schließen. Super! Und jetzt sing! Haha. Entweder du mumblest eine Phrase, an der die deine Kieferspannung aufgefallen ist, oder du übst eine Skala auf einem bestimmten Vokal. Will sich dein Unterkiefer nach vorne schieben, spürst du das sofort an deinem Finger und kannst auf das Lockerlassen fokussieren und gegensteuern.
Ein anderer guter Punkt der Selbstkontrolle ist das Kiefergelenk. Gleich vor/neben dem Ohr ist eine kleine Grube, wenn du den Mund zu hast (- unterhalb des Wankenknochens, zum Ohr hin). Schiebst du das Unterkiefer leicht nach vorne, ist dort ein Knochen zu spüren, der etwas „heraus“ kommt. Öffnest du das Kiefer nur nach unten – einfach fallen lassen – bleibt dieser kleine Knochenknubbel eher unsichtbar. Auch hier kannst du auf Skalen kontrollieren, wie sich dein Kiefer verhält – und gegensteuern. Und beim Singen immer wieder das Kinn dezent bewegen, um zu checken, ob die Kiefermuskeln einigermaßen entspannt sind.
Support-Check als erste Gegenmaßnahme 🙂
Generell lohnt sich bei Verspannungen beim Singen – an welcher Stelle des Körpers auch immer – ein Blick auf die Stütze. Wann passiert es, dass sich das Kiefer nach vor schiebt? Sind es Stellen, an denen wir vielleicht im Support etwas intensivieren könnten, oder an denen wir ohnehin schon zu viel pushen? Der richtige Support-Tipp kann auch im Kieferbereich für Entspannung sorgen. Meistens – aber nicht immer – ist eine Spannung im Kiefer ein Zeichen für zu viel Druck unter den Stimmbändern, zu viel „Push“. Aber so generalisieren kann man das nicht. Manchmal ist auch das Gegenteil der Fall: gar keine Stütze – nur „mit dem Kinn“ wird der Ton „gestemmt“.
Es gibt auch Sänger:innen, die generell eine zu hohe Kieferspannung haben – nicht unbedingt nur beim Singen. Das kann einerseits die stimmliche Weiterentwicklung behindern, andererseits auch zu Problemen wie dauerhaften Verspannungen oder gar Kopfschmerzen führen. Was bei Spannung im Kieferbereich helfen kann, sind Lockerungsübungen wie diese: Mund leicht öffnen (Kinn nach hinten, unten fallen lassen) und den Kopf erst leicht schütteln, dann schneller werdend. Immer schön vorsichtig. Oder den Mund übermäßig immer wieder öffnen und die Zunge hinausstrecken und die Position ein paar Sekunden halten.
Es macht also durchaus Sinn bei Sänger*innen in jedem Alter darauf zu schauen, dass das Unterkiefer locker ist. Denn nur so können wir die Stimme in allen Lagen sicher öffnen. Na, wenn das nicht ein schöner Schlusssatz ist. In nächster Zeit stehen wieder einige Konzerte an, Details siehe in den Infoblöcken unten! Würde mich freuen, euch dort zu sehen!
PS: Es gibt auch Pädgagog*innen und Therapeut*innen, die eine Reflex-Verbindung zwischen Kiefer und Beckenboden beschreiben. Etwa hier. Spannungen im Kiefer würden sich also direkt auch auf die Atmung und weitere Elemente im Körper auswirken. In diesen Dingen ist mein Wissen allerdings begrenzt. Diese Anmerkung soll nur zeigen: es gibt viele Möglichkeiten, den Dingen auf den Grund zu gehen.
* Der hochdeutsche Artikel für „Kiefer“ (für den Knochen im Schädel, nicht den Baum) wäre übrigens „der“ und nicht „das“. In der Alltagssprache in Österreich würde man allerdings – zumindest hier im Osten – „das“ Kiefer sagen. So wie man früher hier auch „das Virus“ gesagt hat… bis sich das im Laufe 2020 geändert hat…
Die nächsten Termine mit der Acapella-Gruppe „Safer Six“
Programm „Sound of Cinema“
Freitag, 1. Juli: Schloss Gloggnitz
Samstag, 27. August: Kulturhof Mödling
Freitag, 2. September: Schloss Katzelsdorf
Alle Infos dazu auf unserer Homepage!
Musicalkonzert „You Can’t Stop the Beat“
auf der Terrasse des Café Tscherte, Stadtpark, Wiener Neustadt
Donnerstag, 21. Juli, 19:30 Uhr
Mit einem Teil des Ensembles des Theaters im Neukloster arbeite ich gerade an einem abwechslungsreichen Programm für die rund eine Stunde Musicalkonzert im Rahmen des „Kultursommers“ der Stadt Wiener Neustadt. Eintritt ist frei, die Umgebung chillig, die Drinks normalerweise kühl und ausreichend vorhanden! Und endlich darf ich wieder einen meiner Lieblingssongs performen… 🙂 Diesmal mit Chor!