#48 Twang: Drei Missverständnisse

Twang war schon öfters Thema im Blog. Und das nicht ohne Grund. Es ist neben Support, Airflow und Vokalen eines der großen Themen des Sänger*innenlebens, auf das ich als Vocal Coach also immer wieder zurückkomme. Und oft entstehen in der Diskussion um den Begriff, seine Anwendung und Wirkung ein paar Unklarheiten.

Twang ist ein onomatopoetisches Wort, heißt: Es beschreibt lautmalerisch das, was es macht. Englisch ausgesprochen: Twang. Es verengt den Vokaltrakt. Twääääng. Ein bisschen ein „nerviger“, eher „stechender“ Ton am „Ä“. Anatomisch geht’s vereinfacht gesagt um eine Verengung des Vokaltrakts, um den Ton zu verstärken. Nebeneffekt: Wir geben den Stimmbändern auch von oben („supraglottal“) ein wenig Druck mit. Druck im guten Sinne: Wir helfen unsere Stimmbändern, gut zu schließen bzw. schwingen zu können. Ausgeprägter Twang ist ein wesentliches Werkzeug, um lautere und kräftigere (und höhere) Töne singen zu können. Aber Twang geht auch anders.

(c) Alexander Lesnitsky auf Pixabay

Missverständnis 1: Twang, das ist dieser nervige Sound

Ich bin ja eingangs selber in die kleine Falle getappt. Denn um Twang zu beschreiben, benutze ich ein wenig extreme Wörter. „Nerviger“, „Stechender“ Klang. Mach ein Geräusch, als würdest du mit einem Spielzeugauto spielen, „njeeeeeuuuu“, oder so ähnlich… Blöke wie ein Schaf, quake wie eine nervige Ente. Okay, und was soll ich jetzt mit diesem weirden Klang anfangen, fragst du dich?

Erstens: Gratuliere, du hast Zugang zu Kontrolle über Twang gefunden. Das ist Twang. Jetzt gilt es, dieses Werkzeug in Maßen dort einzusetzen, wo du’s brauchst. Kannst du das Schaf weniger nervig, das Spielzeugauto weniger durchdringend klinen lassen? Denn Twang ist eben nicht nur in seiner ausgeprägten, extremen Form hilfreich. Es gibt keinen Twang-Ein-und-Aus-Schalter. Twang ist ein „von bis“. Ich kann den Bereich über den Stimmbändern (Kehldeckel, Aryepiglottic Sphincter, Quadratus Membranes) ein wenig verengen, kaum verengen, sehr verengen: je nachdem welchen Klang ich will, bzw. welches Vokaltraktsetting ich für meinen Wunschklang eben brauche. Hätten wir diese Funktion nicht, würden es unsere Töne überhaupt kaum aus unserem Mund schaffen. Sie wären nicht hörbar, wackelig, unklar. Unsere Stimmbänder hätten Probleme dabei ordentlich zu schließen, unser Klang wäre unkomprimiert. Wir setzen Twang quasi immer ein – im Alltag auch, wenn wir etwa in der Disko laut reden müssen. Aber auch leise, hauchige Töne brauchen einen „notwendigen Twang“, bzw. könnten mit einer Prise Kehlkopftrichterverengung sicherer, hörbarer, besser werden. Twang ist auch eine Art „Kern des Tons“. Das muss aber nicht automatisch klingen wie Fran Drescher (Die Nanny) oder ein Klischee-Country-Song.

Missverständnis 2: Twang? Das klingt immer so nasal!

A propos Fran Drescher…. Twang und Nasalität eines Tones sind strikt zu trennen. Sollten also beide getrennt voneinenader beherrscht werden. Darauf solltest du achten beim Üben. Kannst du Twang (etwa das Schaf: „Bäh“) auf einem Ton auch singen, ohne dass dein Nasengang offen ist. Mach einfach den Nasentest: Nase (oder nur ein Nasenloch) zuhalten: Spürst du eine Vibration dort, kommt der Ton auch durch die Nase? Auch nicht weiter tragisch. Aber vielleicht sollten wir das gut trennen. Und oft ist ein Ton auch gar nicht nasal, obwohl manche den Klang verwechseln. Meiner Meinung nach macht ein nasaler Ton den Klang eher schwächer, als tragend – eher dumpf. Also für laute, kräftige Töne, wäre es sowieso ratsam, den Ton „aus der Nase“ zu bekommen. Aber dennoch massiv zu twangen. JoP, Twang gibts auch als Verb: twangen.

Missverständnis 3: Twang? Was brauch‘ ich das, ich sing‘ ja nur klassisch!?

Twang ist auch Teil des klassischen Klang-Rezepts. Wie soll man sonst das Orchester ohne Mikrofon übertönen, wenn man die nötigen Frequenzen in der eigenen Stimme nicht ausreichend boostet. Genau das macht Twang. Nur geht der – und einmal verwende ich das unglückliche Wort noch – „nervige“ Klang in der generell eher dunklen Klangfarbe klassischer Sänger ein wenig unter. Aber stellen wir uns vor, wir suchen NUR dunkle Klangfarbe mit nur notwendigem Twang in der Klassik. Das würde etwas gar hohl klingen – und vor allem kein Orchester übertönen. Und technisch gäbe es in den Höhen auch ein paar Troubles. Es darf also auch in der Klassik ordentlich getwangt werden. Auch wenn Plácido Domingo dann doch deutlich anders klingt als Popstar Anastasia. Denn Twang passiert eben im Vokaltrakt im Abschnitt über den Stimmbändern im Kehlkopftrichter. Aber es gibt ja noch viele andere Elemente, die den Klang beeinflussen – und das Ohr damit täuschen.

Twang üben

Wer Twang üben will, geht zu Beginn ins Extreme. Aber sobald wir wissen, wie wir Twang ansteuern – meistens über Soundbilder wie oben beschrieben – gehts darum, herauszufinden, welche Elemente uns dabei helfen. Was machen Zunge und Gaumensegel zum Beispiel? Was hilft uns, den twangy Sound zu finden? Was können wir aktiv steuern: hohe, breite Zunge zum Beispiel, Gaumensegel eher entspannen. Aber das ist alles nicht so ganz in Stein gemeißelt, kommt auf den Sound an, den wir wollen. Zum Üben verwenden wir logischerweise Vokale, die eine breite Zunge quasi im Rezept haben: Ä, Ee, Eh, vielleicht ein helles Ö.

  • Vokal mit Twang-Crescendo. Also evtl. mit hauchigem Klang beginnen, Ton halten und mehr und mehr Twang hinzufügen (und wieder retour). Crescendo deshalb, weil der Ton durch den Twang auch lauter wird.
  • Eine (einfache) Phrase mit mehr oder weniger Twang probieren.
  • Drei Töne (1-2-3-2-1) auf einem Vokal: entweder mit einer „Twang-Stufe“ (also Twang-Level 3 von 5… zum Beispiel) üben, oder während einzelner Töne Twang graduell hinzufügen „und wieder reduzieren“.

Der richtige Umgang mit Twang kann uns in vielen Dingen weiterhelfen. Es zahle sich also aus, mehr in das Thema zu investieren. Habt eine schöne Woche!

Die nächsten Termine mit der Acapella-Gruppe „Safer Six“
Programm „Sound of Cinema“

Freitag, 1. Juli: Schloss Gloggnitz
Samstag, 27. August: Kulturhof Mödling
Freitag, 2. September: Schloss Katzelsdorf

Alle Infos dazu auf unserer Homepage!

Musicalkonzert „You Can’t Stop the Beat“
auf der Terrasse des Café Tscherte, Stadtpark, Wiener Neustadt
Donnerstag, 21. Juli, 19:30 Uhr

Mit einem Teil des Ensembles des Theaters im Neukloster arbeite ich gerade an einem abwechslungsreichen Programm für die rund eine Stunde Musicalkonzert im Rahmen des „Kultursommers“ der Stadt Wiener Neustadt. Eintritt ist frei, die Umgebung chillig, die Drinks normalerweise kühl und ausreichend vorhanden! Und endlich darf ich wieder einen meiner Lieblingssongs performen… Diesmal mit Chor!

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

2 Kommentare zu „#48 Twang: Drei Missverständnisse

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