#57 Vier Modes? Was zum Curbing…!?

Die vier Modes von CVT. Warum es vier gibt. Und warum vier durchaus genug ist. Und wir natürlich trotzdem nicht nur in vier Klängen singen.

Jeder Mode hat einen gewissen Klang, ein bestimmtes Vokaltraktsetting – und ein Symbol. (c) Complete Vocal Institute

Das sehr spezielle an der „Complete Vocal Technique“ (CVT) ist ja die Aufteilung aller Klänge in vier Modes (englisch ausgesprochen, nicht latein…) Und wie so oft ist das das Schöne und Missverständliche in einem. Denn CVT behauptet keinesfalls, dass man nur vier Möglichkeiten hat, wie man klingen kann. Und doch dreht sich vieles um die vier Modes und deren Regeln. Also, wie passt das zusammen?

Jeder Mode steht für ein Vokaltraktsetting, das wiederum mit einem Klang verbunden werden kann – wie die Stimme klingt, wenn sie den Vokaltrakt so formt. Ein Mode steht also einerseits für einen spezifischen Sound, andererseits für eine spezifische Konstellation von Stimmbändern und Vokaltrakt. Aber heißt das jetzt, CVT sagt, man kann nur vier verschiedene Klänge mit der Stimme produzieren. Nein. Natürlich nicht.

Abgesehen davon, dass Klangfarbe natürlich auch noch eine große Rolle in jedem Mode spielt…. Was vielleicht etwas mehr Licht ins Dunkel bringt, ist der Begriff „Centre of the Mode“, also Zentrum des Modes. Ich nenne das jetzt einfach mal „Schablonen-Setup“, der Schablonen-Klang. Im Mode namens Overdrive zum Beispiel, der laute, rufende, metallische Klang auf Vokal „E“ wie in „Es war einmal“. Wir üben das Zentrum des Modes, dort, wo er am besten funktioniert, so wie er fast schon übertrieben klingt. Aber so werden wir nicht jeden Ton singen wollen – selbst wenn wir im Mode bleiben. Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen. Aber wenn ich von einem Overdrive-Ton laaaangsam zu einem anderen Mode wechsle. Nicht abrupt. Langsam hinüber slide… Wie kann ich dann sagen, ob ich noch in dem einen – oder schon in dem anderen Mode bin?

„We talk in directions“ – und nicht in „Absolutes“

Ja, wenn wir langsam von Overdrive in andere Modes wechseln, werden die spezifischen Eigenschaften von Overdrive nach und nach verschwinden – sowohl akustisch, beim Hören, als auch im Vokaltrakt, der sich ja langsam einem anderen Mode zuwendet. Es wird einen Bereich geben, in dem manche CVT-Kenner sagen würden: JETZT ist es der andere Mode. Andere würden sagen: Das ist immer noch ein „schwacher“, „weniger eindeutiger“ Overdrive. Und das ist auch okay so. Es ist nicht immer alles eindeutig. Wir lernen die Modes im „Center of the Modes“ kennen, fühlen und hören, wie sie dort wirken. Und dieses Zentrum bauen wir dann langsam auf Regionen aus.

Das Schöne an den Modes sind ja ihre Regeln. Wenn ich einen Ton singe, der mir Probleme macht, kann ich mir mithilfe der Modes und ihrer Regeln selbst helfen. Mit der Frage: „Welcher Mode solls denn sein?“ fängt’s an. Wie will ich hier überhaupt klingen? Dann kann ich darüber nachdenken: Funktioniert der Mode meiner Wahl überhaupt in dieser Höhe/Tiefe, auf diesem Vokal? Wenn nicht: Kann ich den Vokal modifizieren? Kann/Muss ich einen anderen Mode wählen? Oder eher nur „in Richtung“ eines anderen Modes gehen? Stimmen die Voraussetzungen von Tonhöhe und Vokal, aber es klappt trotzdem nicht, kann ich noch mehr im „Zentrum“ des Modes üben. Den Klang noch näher an die „Schablone“ bringen, um es meinen Stimmbändern zu erleichtern, den Mode zu tragen. Denn im Zentrum des Modes: mit klarem Vokal und mit Beachten aller Tricks und Tipps, funktioniert der Ton aufgrund physiologisch-akustischer Gründe am besten.

Das ist der Zauber der Modes. Ihre Regeln. Denn mit Regeln kann sich jeder selbst helfen. Und jetzt gibt’s Kolleg:innen, Sänger:innen, die sagen: „Ja mein Gott, vor lauter Regeln komm ich ja gar nicht zum Singen. Das macht aus einem einfachen Lied ja ein Mode-Kreuzworträtsel, das ich zuerst ausfüllen muss!1!!!11!“

Dann kann ich aber beruhigen. Wenn ich singe, muss ich nicht jeden Ton fix einem Mode zuordnen. Wozu auch? Gefällt mir der Klang und fühlt sich das Ganze „frei“ und ohne Verspannungen – schlicht „gut“ an? Wozu sollte ich dann lange darüber nachdenken? Modes können dabei helfen, den Wunschklang besser zu definieren, ihn zu erreichen, Klängen Namen zu geben. Und vor allem dann, wenn ich etwas verändern – oder eben verbessern will.

Modes sind keine „Register“, was auch immer man unter „Registern“ versteht

Modes sind keine Register. Was sind schon Register? Die Registertheorie geht ja irgendwie davon aus, dass ich eine bestimmte Tonhöhe in einem bestimmten Register singen muss/soll. Aber bei Modes ist das anders. Eine Frauenstimme kann etwa ein g1 (international als g4 bezeichnet) in allen vier Modes singen. Vielleicht muss sie den einen oder anderen Mode in dieser Lage erst erlernen und üben und „finden“. Aber prinzipiell hat man die Wahl: Wie möchte ich klingen. An welchen Mode lehne ich diese Passage im Klang an? Manche Modes haben Pitch-Limits. Auf Englisch klingt’s viel griffiger. Tonhöhen-Grenzen. Vor allem bei Overdrive sollten Frauen ab dem c2 lieber in Richtung Edge wechseln – oder Neutral. Oder Curbing. Immer noch gibt’s genug Auswahl.

Was mich am Anfang meines Kennenlernens mit CVT beinahe wahnsinnig gemacht hat, war das völlige Fehlen der Kopfstimme/des Falsetts bei CVT. Viele (auch ich) dachten im ersten Moment, der Mode „Neutral“ sei mit Falsett/Kopfstimme gleichzusetzen. Doch das stimmt nicht. Neutral kann auch Bruststimme sein. Aber diese Mechanismen-Diskussion möchte ich hier und heute jetzt nicht aufmachen… Nur so viel: Die Unterscheidung zwischen Brust- und Kopfstimme ist physiologisch und wissenschaftlich einigermaßen geklärt. Auch wenn die Begrifflichkeiten „Brust“ und „Kopf“ vielleicht etwas vage bleiben, weswegen viele ja lieber andere Begriffe verwenden.

Jedenfalls hat auch das Complete Vocal Institute, die „Hüterin“ und Entwicklerin der „Complete Vocal Technique“ Gott sei Dank eingesehen, dass hier einerseits eine ganze Dimension im System fehlt, andererseits viel Sängerinnen weltweit einfach ganz klar vor diesem Zwei-Mechanismen-Phänomen stehen, es kennen, es fühlen. Das zu negieren, wäre auch absurd gewesen. Und so schwebt „Falsett“ derzeit immer noch irgendwo in der „Neutral“-Familie etwas freischwebend herum bei CVT. Da ist man noch nicht ganz angekommen, meiner Meinung nach. Aber wichtig, dass es überhaupt einmal auf der Landkarte von CVT aufgetaucht ist.

Zwischen Brust- und Kopfstimme recht markant für die meisten Sänger*innen: der Bruch, das Jodeln. Wenn wir nicht lernen, es zu „vertuschen“. Und wenn ich zwischen zwei der vier CVT-Modes switche gibt’s keinen „Bruch“. Nur zwischen Falsett und jedem einzelnen Modes. Was in meiner persönlichen Sprache/Logik – nicht offizielle CVT-Sprache – heißt: Alle CVT-Modes sind M1, Bruststimme. Und natürlich kann’s auch zu einem Kiekser beim Wechsel von zwei Modes kommen (ohne Falsetto-Wunsch), das passiert natürlich, wenn die Stimmbänder den Mode nicht schaffen, weil zu hoch, zu ungewohnt, und die Stimme es gewohnt ist, in die Kopfstimme abzurutschen, sozusagen.

Ja, worum geht’s denn jetzt eigentlich?

So, jetzt bin ich ein wenig abgeschweift. Worum’s heute eigentlich gegangen sein soll: Die vier Modes in CVT geben dir die Chance, deine eigene Stimme verlässlich zu kartieren und kreieren. Damit du „Probleme“ und Unsicherheiten auch selbstständig lösen kannst. Ein Mode hat eine Art Zentrum, eine Schablone, einen Klischeeklang, der fast schon übertrieben klingt. Aber der Klang kann auch weniger eindeutig sein und sich schon mehr in Richtung eines anderen Modes lehnen.

Es wäre Unsinn zu behaupten, wir singen nur in vier Klängen. Modes bewegen sich oft auch ganz automatisch mit den Vokalen mit, Vokale ziehen bestimmte Modes eben magnetisch an. Vokale ermöglichen sozusagen erst manche Modes. Hinzukommen noch weitere Faktoren im Klang: Klangfarbe, Effekte, Density (den Begriff werf‘ ich einfach mal hier her…, sorry!) Und: Wir alle haben eine Art Lieblingsmode, in dem wir es gewohnt sind zu singen, zu sprechen. Einen Gewohnheitszustand, den unser Vokaltrakt, unsere Stimmbänder bevorzugen. Deshalb tun sich manche auch mit dem einen und andere mit einem anderen Mode leichter. Manches ist komplett neu für das Muskelgedächtnis, anderes hat man eh schon immer gemacht, nur halt nicht Overdrive genannt.

Und dann haben die Modes ja noch den Vorteil des Zaubers der gemeinsamen Sprache. Darüber habe ich ja unlängst erst geschrieben. Hier entlang zum Blogeintrag #55.

Habt eine schöne Woche!

Einen Link zur Introduction von CVT mit ein paar Worten und Klangbeispielen zu allen Modes findet ihr hier: https://completevocal.institute/complete-vocal-technique/

Einen Überblick zu CVT findet ihr auch auf meiner Homepage – in meinen eigenen Worten, auf Deutsch: CVT – Was ist das?

Safer Six (Pop-/Rock-Acapella!) – Wir sind bald auch in DEINER Nähe!

Programm Sound Of Cinema
Fr 23. September, 20 Uhr, Musikerheim Wartmannstetten
Sa 1. Oktober, 19.30 Uhr, KUSAMi Mitterndorf an der Fischa
Fr 18. November, 19 Uhr, Stadtsaal Gloggnitz

Kinderprogramm Auf der Suche nach der goldenen Note
Sa 8. Oktober, 16 Uhr, Kulturzentrum Oberschützen
So 9. Oktober, 14 und 16.30 Uhr im Kulturzentrum Mattersburg

Infos und weitere Termine:
www.safersix.at

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

4 Kommentare zu „#57 Vier Modes? Was zum Curbing…!?

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