#59 Auch Konsonanten kann (und soll) man singen

Worte sind wichtig beim Singen. Jetzt werden manche sagen: „Nanonanet“, die Jazzer*innen werden sagen: „Na momeeent, ich scatte lieber“. Aber egal, ob echtes Wort mit Bedeutung oder Fantasiesilbe, wir bilden mit unserer Zunge, unserem Vokaltrakt ständig gewisse Laute. Für ein „P“ müssen wir zum Beispiel unsere Lippen kurz versiegeln, Luft dahinter anstauen und wieder freigeben, die Tonerzeugung in den Stimmbändern kurz stoppen. Für ein „L“ muss die Zunge einen bestimmten Platz finden – je nachdem, ob’s ein Meidlinger oder hochdeutsches „L“ sein soll…

Und wie ihr vermutlich schon wisst, jede Veränderung im Vokaltrakt – also von Kehlkopf bis zu Zungenspitze und Lippen – beeinflusst wiederum die Tongebung, hat eine Auswirkung darauf, wie es sich für uns anfühlt einen Ton zu singen. Deshalb ist es wichtig, sich mit den Worten und Silben, die wir singen, auch auseinanderzusetzen. Heute soll’s aber ausnahmsweise nicht um Vokale gehen, sondern um die oft eher nachlässig behandelten Konsonanten.

Position von Zunge, Lippen und Vokaltrakt ist entscheidend für unsere Sprache, für Konsonanten und Vokale – und wie wir klingen.
(c) Pixabay/clickphoto

Als notorischer Rechts- und Links-Verwechsler habe ich auch so meine liebe Not mit den Worten Vokal und Konsonant… Manchmal vermische ich die Begriffe… Konsonanten, das sind zum Beispiel k t m n g p r … und so weiter. Also alle Buchstaben außer a, e, i, o, u, ä, ö, ü … und deren Laut-Mischungen. Erstaunlich, dass es nur so wenige Buchstaben auf der Tastatur gibt, die wir aber in anscheinend unendlich viel Variationen und Färbungen singen können. (Deswegen haben wir ja die Lautschrift…, die aber etwas Übung im Lesen voraussetzt.)

Was bleibt übrig vom „Pferd“?

Dass wir die vielen Konsonanten beim Singen manchmal sträflich vernachlässigen, liegt vielleicht auch daran, dass wir nun einmal großteils auf Vokalen singen. Bereit für die Beweisführung? Dann: Singt das Wort „Pferd“ auf einem beliebigen Ton. Los! Genau, ihr werde nach einem kurzen „Pf“ vor allem ein „eeeeee“ singen. Je nachdem wie akkurat ihr seid, werdet ihr am Ende dann noch ein wohl eher vernachlässigtes „rd“ angehängt haben. Wobei eigentlich eher ein „ad“. Das „r“ in Pferd ist meiner Meinung nach eigentlich ein Stummes… 🙂 Ihr seht, Sprache und Sprechen ist eigentlich recht spannend… und nicht immer so logisch. Aber auf welchem Teil des Wortes habt ihr tatsächlich einen Ton produziert? Eben: Nur am „eeeeee(a)“. Nicht am „Pf“, nicht am „d“.

Wir singen eben großteils auf Vokalen. Konsonanten unterbrechen meist den Ton. Schon mal ein „P“ auf einem Ton gesungen? 🙂 Eben! Aaaaaber es gibt eben auch die lieben „Klinger“ wie „M“ oder „N“. Bereit für das Experiment: Singt ein „M“! Genau, es nennt sich „summen“ 😉 Übrigens kann man natürlich auch ein „w“, ein „v“, „l“ und ein „s“ stimmhaft singen. Beim „s“ wäre das zum Beispiel das „Gelsen- “ oder „Bienengeräusch“. Zu all diesen Konsonanten gibt es auch eigene Sprecher*innen-Regeln… Wann zum Beispiel ein „S“ stimmhaft (also mit gleichzeitiger Stimmbandaktivität / Klang) und wann es stimmlos ist. Ich habe für euch nachgelesen… weil es mich dann selber noch einmal interessiert hat. Spannend wie das alles auch mit der Rechtschreibung zu tun hat. Lest selbst auf der Seite von „Schülerhilfe.de“ – jop, dort steht das tatsächlich gut zusammengefasst, wann stimmhaft und stimmlos. Ob das Wiener Burgtheater da andere Regeln hat… gut möglich 🙂 Zumindest in der österreichischen Alltagssprache wird nur allzuoft das „s“ stimmlos ausgesprochen, obwohl es eigentlich stimmhaft ist. Sachen, Singen, Sagen… Da sollte das „s“ eigentlich „summend“ mitklingen. Beim Singen eines Wortes kann sich das schon massiv anders anspüren – wenn der Ton durch das Wort getragen wird, oder am Anfang noch nicht da ist und erst am Vokal „anfängt“. Unterbreche ich die Tongebung am „g“ oder mache gar ein „k“ daraus für „sinken“, dann spürt sich das im Tonfluss anders an als das durchgängig stimmhafte „singen“.

All diese Gedanken muss man sich nicht machen. Eh klar. Es soll hier auch nicht um Ausspracheregeln gehen im Sinne von „richtig oder falsch“ – sondern darum, was alles das Singen beeinflussen kann und wo eine „Fehlerquelle“ für einen unbequemen, sich komisch anfühlenden Ton sein könnte. Dinge, die man sich bewusst machen kann 🙂

Konsonanten heißen nach dem Ort, wo sie entstehen

Aber zurück zu den Konsonanten. Es gibt die beschriebenen klingenden Konsonanten, aber noch viel mehr nicht klingende. Noch wissenschaftlicher wird’s, wenn man die Konsonanten nach ihrem Entstehungsort benennt. „P“ ist etwa ein bilabialer und plosiver Konsonant. Soll heißen, er entsteht an/mithilfe von beiden Lippen (bilabial), der Klang ist plosiv, der Atemstrom stoppt bei der Bildung des Konsonanten und bahnt sich daraufhin wieder „explosiv“ seinen Weg. Ein Klassiker – deswegen sind manchmal Vokale, die nach dem „P“ kommen, mit der „Luftexplosion“ etwas überfordert. In mittelhohen Lagen könnte es zum Beispiel sein, dass es die Stimme in die Kopfstimme schupft, obwohl das nicht der Plan war… Konsonanten sind ab und zu schon ein wenig Spielverderber. Sie „durchbrechen“ unser Gesangssetting und zwingen uns dazu, unser Setting neu aufzubauen. Abgesehen davon, dass sie – eben wie Plosive – unseren Luftstrom stoppen bzw. verändern. Deswegen muss man manchmal auch Kompromisse machen und den Konsonant vielleicht weniger hart artikulieren oder ein bisschen „faken“. Das ist natürlich nicht die primäre Herangehensweise. Aber um Töne „technisch“ zu treffen, braucht’s (vor allem am Anfang) manchmal Kompromisse.

Konsonanten sind aber nicht nur der Schlüssel zur Verständlichkeit, sondern auch ein Werkzeug der Interpretation. Wie viel Zeit gebe ich dem „L“ in der Phrase „Ich llllliebe dich“. Wie inbrünstig will ich interpretieren. Was macht das mit der Phrase, wenn ich das „ch“ extra lang betone, wenn ich es beinahe hauche, oder tirolerisch in die Kehle schiebe?

Artikulation hat auch Genre-Regeln

Je nach Genre messen wir den Konsonanten auch unterschiedlich viel Bedeutung bei – bzw. gibt’s Spielraum. Pop/Rock… naja, je nach persönlichem Geschmack, würde ich mal sagen. Konventionen gibt’s weniger. Je nach Emotion, nach Tempo, je nach Lust und Laune. Aber man will dann meistens schon auch, dass das Publikum den Text versteht… Dass das nicht sein muss, dafür gibt’s zahlreiche Beispiele… *räusper* Shakira. Was uns auch zur Klassik bringt… Haha. Nein, im Ernst, Konsonanten spielen auch in der Klassik eine große Rolle natürlich. Das, was klassische Sänger manchmal so schwer verständlich macht, ist eher das Verschmelzen der Vokale in den Höhen. Und es liegt ein Schwerpunkt in den (recht dunkel geführten) Vokalen. Und in der Oper dann noch an der Sprache… 🙂 Aber ich bin der Meinung, eine*n guten Sänger*in muss man auch in der Klassik verstehen können… Aber gewisse Regeln erfordern gewisse Kompromisse. Im Musical sind Konsonanten zum Beispiel wiederum ein großer Teil der Dramaturgie eines Liedes, Transporteure von Emotion.

Klingende Konsonanten sind traditionell auch gute Einsingübungen, aber das wisst ihr wohl selbst aus langjähriger Erfahrung. Auf „m“ oder „v“ oder „s“ gibt’s oft erste Übungen zum Warm-up und zum Stimme-erst-einmal-zum-Klingen-bringen.

Also behaltet mir schön die Konsonanten im Auge. Vernachlässigt sie nicht. Und überartikuliert sie nicht, sodass Zunge und Lippen nicht übertriebene Settings einnehmen. Singen ist immer ein bisserl „Zeitlupenartikulieren“. So viel wie notwendig, so wenig wie möglich.

>> Link zum Wikipedia-Artikel über „Konsonanten“ mit allen Beschreibungen und Bezeichnungen

Safer Six (Pop-/Rock-Acapella!) – Wir sind bald auch in DEINER Nähe!

Kinderprogramm Auf der Suche nach der goldenen Note
Sa 8. Oktober, 16 Uhr, Kulturzentrum Oberschützen
So 9. Oktober, 14 und 16.30 Uhr im Kulturzentrum Mattersburg

Programm Sound Of Cinema
Fr 18. November, 19 Uhr, Stadtsaal Gloggnitz

Infos und weitere Termine:
www.safersix.at

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

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