Heute gehen wir einer klanglichen/begrifflichen Grundlage von CVT auf den Grund. CVT steht für „Complete Vocal Technique“, eine Art Kartierung des Stimmklangs, ein Gesangssystem, das in Dänemark von Catherine Sadolin entwickelt wurde. Die vier Modes sind vier grundlegende Vokaltraktsettings bzw. Klänge. (Das eine bewirkt ja das andere). Wer mehr über CVT wissen will, kann auf meiner Homepage ja noch einmal ein paar Grundlagen nachlesen: CVT – Was ist das? bzw. auch hier: #57 Vier Modes? Was zum Curbing!?
Ein Faktor, um die Modes von CVT unterscheiden zu können, ist der „Anteil an metallischem Klang“. Und das hat nichts mit dem Musikgenre „Metal“ zu tun. Wenn wir einen beliebigen Ton singen, reden CVT-Menschen davon, wie viel „metallischen Anteil“ der Ton hat, um ihn einem Mode zuordnen zu können, bzw. um ihn generell zu analysieren. Jetzt geht es hier natürlich nicht um einen Wert wie „5 Gramm Eisen und drei Deka Nickel“.

Wie so Vieles in Gesangssystemen ist „metallischer Sound“ ein Hilfswerkzeug zur Beschreibung des Klangs. Es geht um akustische aber auch um anatomische Faktoren – das eine bewirkt ja das andere, Henne/Ei…: Metallisch im Vergleich zu nicht-metallisch hört sich an wie Jon Bon Jovi zu Enya. Metallisch könnte der Ruf „Heeey“ sein, wenn dein Fahrrad vor deinen Augen geklaut wird, im Gegensatz zu einem Schlaflied für ein gerade die Augen schließendes Baby. Okay, jetzt wirst du vielleicht sagen: „Ah, Lautstärke, sag das doch gleich!“. Aber nö. Metallisch hat nicht zwingend mit Lautstärke zu tun, korreliert aber meistens damit. (Korrelierendes Metall? Besser als korrodierendes Metall… 🙂 sorry, mein Hirn wollte diesen Joke unbedingt anbringen)
Aber es geht nicht um Lautstärke, es geht um den Klang, vielleicht könnte man Klangfülle, vielleicht Schärfe oder Resonanz sagen. Wie voll klingend ist der Ton? Denkt nochmal – wenn jemand auf dem Klischee-Berggipfel steht und ins Tal ruft: Haaaalllooo…. Dann hat der Ton meistens eine Art Fülle, einen metallischen Klang.
Wenn deine Stimmbänder 440 Mal in der Sekunde ein bissl länger picken bleiben
Anatomisch gesehen geht’s im Vokaltrakt darum, mit welcher Fläche die Stimmbänder aufeinander treffen und vor allem wie lange der Anteil der Verschlussphase in einem Schwingungszyklus der Stimmbänder ist. Achtung, ihr Anatomie-Verweigerer beim Singen… Ich hole kurz thematisch aus…: Bei einem A4* treffen Stimmbänder rund 440 Mal in der Sekunde aufeinander (440 Hertz = A4). Öffnen und Schließen, 440 Mal – in der Sekunde! Aber jetzt müssen die einzelnen Phasen einer Schwingung – Schließen, Kontakt, Öffnung – nicht immer gleich lang sein. Ein metallischer Ton hat eine längere Verschlussphase. Die Stimmbänder werden durch den Luftstrom aneinandergesaugt, es baut sich darunter wieder Luftstrom auf, doch die Verschlussphase ist im Verhältnis zu nicht-metallischen Tönen länger, bis der Luftdruck darunter wieder groß genug ist, um die Stimmbänder auseinander zu bringen. Wie so oft bei anatomischen Dingen: Good to know, aber bei der Umsetzung nicht wirklich hilfreich. Mir geht’s darum, dass „metallischer“ Sound nicht einfach irgendein Adjektiv ist, sondern im Vokaltraktsetting, in der Klangerzeugung einen unmittelbaren Ursprung hat.
Warum ist es relevant, metallische von nicht metallischen Tönen zu unterscheiden?
Mit akustischen Beispielen ist vielleicht klarer. Aber wie so oft: Die Grenze zwischen nicht-metallisch und metallisch ist keine total eindeutige. Ich kann – das ist auch eine gute Übung – auf einem beliebigen Ton versuchen in „Neutral“ zu starten (der einzige nicht-metallische Mode) und dann nach und nach „Metall“ dazuzumischen, den Klang also sukzessive zu verändern, sodass ich irgendwann in einem anderen Mode (Edge oder Overdrive vermutlich) landen werde. Der genauuuuue Zeitpunkt, wann ich den einen Mode verlassen und den anderen „erreicht“ habe, ist nicht ganz eindeutig. Modes sind eben keine Schubladen, sondern ineinander überfließende Gewässer. Okay, kein Sprachbild, mit dem ich glücklich bin… Aber wisst ihr, was ich meine?
Ich weiß, das war jetzt viel Theoretisches… und wir kommen auch noch zum „praktischen Teil“ 🙂 … Aber eines muss ich, ein Kopf-vs.-Bruststimm-Fetischist, noch zur Klarstellung ergänzen, weil’s ein mögliches Missverständnis ist: Metallisch oder nicht metallisch – das hat NICHTS mit der althergebrachten Unterteilung in Kopf- und Bruststimme zu tun. Dazu zwei Sätze, die’s erklären könnten. Konjunktiv 😉
1) Wenn du Bruststimme singst, sagt das nichts darüber aus, ob der Ton metallisch ist oder nicht.
2) Wenn du Kopfstimme singst, ist der Ton per definitionem NIE metallisch.
Das ist auch der Grund, warum es für Frauen, die ihr Leben lang eigentlich nur in Kopfstimme gesungen haben, eine gute Hilfe sein kann, sich mittels metallischen Sounds der Bruststimme zu nähern, sie überhaupt einmal zu finden. Es mag zwar ein anfangs extremer Sound sein – aus der Sicht der Sängerinnen, weil laut und ungewohnt – aber eben weit genug weg vom Kopfstimm-Setting. Und eindeutig spür- und hör- und begreifbar.
Üben, üben, üben
Okay, bereit, metallische Sounds auzuprobieren? Wir kehren zurück zum Fahrraddieb, der dir dein Fahrrad klaut. Du blickst aus dem Fenster, siehst ihn und rufst reelativ laut. „heeeeey“. Oder du bist in einem Club und es ist wahnsinnig laut und du bestellst drei Bier an der Bar, aber der Barkeeper versteht dich nicht, und du versuchst noch lauter zu reden: „Dreeeeei Biiiier!“ Wobei, wie gesagt, es ist nicht per se die Lautstärke, die den „metallischen Klang“ macht. Aber sie hilft bei der Orientierung. Übrigens reden viele von uns auch in metallischen Klängen. Mehr oder weniger alle Männer, aber auch die meisten Frauen.
Wenn ihr euch am „Heeeeey“ wohlfühlt, nichts zwickt oder kratzt (wir haben ja jetzt die technischen Details außen vor gelassen… Stichwort: Stütze, Support, Vokal,…), dann könnte ihr zwei Übungen ausprobieren:
- Heeeey immer und immer wieder am selben („bequemen“) Ton üben und dabei versuchen, den metallischen Charakter mehr und mehr rauszunehmen, sodass ihr irgendwann im Mode „Neutral“ landen werdet. Aber Achtung, Ziel wäre, dass ihr nicht in der Kopfstimme landet! Aber es sollte sich in Richtung mittellautes „heeeeey“, das nicht mehr so zwingend, so voll, so metallisch klingt, wie das zu Beginn, entwickeln. Das bedarf – je nach Gewohnheiten beim Singen – einiges an Stütze und Fokus. Oft kippt man zu leicht in die Kopfstimme.
- Ein Metall-Crescendo. Was einem normalen Crescendo auch entspricht, also ein Lauterwerden des Tones. Auf dem Vokal vom „hey“, dem „eh“ leise anfangen und lauter werden bzw. umgekehrt. Nicht-metallischer Klang wird zu metallischem Klang – bzw. umgekehrt. Auch hier darauf achten, dass ihr nicht in Kopfstimme startet/endet.
Hat euch das heute ein wenig geholfen? Oder verwirrt? Metallischen Sound zu verstehen, identifizieren zu können, ist eine gute Grundlage dafür, sich bei den Modes von CVT zurechtzufinden. Von den vier – Neutral, Curbing, Overdrive, Edge – ist nur einer nicht-metallisch: Neutral. Aber wie gesagt, es klingt vielleicht kompliziert, aber ich bin mir sicher, ihr könnt metallischen von nicht-metallischen Klängen schon jetzt unterscheiden, auch wenn ihr vielleicht andere Wörter dafür verwendet.
Exkurs(ion): Premiere Musical „Hundertwasser“ in Füssen
Ich mache jetzt wieder eine Woche Blog-Pause. Es ist einiges los die nächsten Tage, bzw. gönne ich mir drei Tage Urlaub und schaue mir die Welturaufführung des Musicals „Hundertwasser“ von Komponist Stefan Holoubek an. Vor vielen, vielen Jahren (waren’s schon zehn?) hab ich bei Stefan im Studio ein paar Demos von seinen Musicalsongs eingesungen, ich weiß nur, dass mir das damals wahnsinnig hoch alles vorgekommen ist… haha. Schön, dass das Projekt nun endlich auf die Bühne kommt – im Festspielhaus Neuschwanstein, auf das ich auch schon wahnsinnig neugierig bin. Die Demos sind übrigens auf der Homepage der Festspiele zu finden, falls ihr reinhören wollt. Evtl. entdecken Wiener Neustädter Theater-Menschen ja auch noch andere bekannte Stimmen 😉 Bis bald! Und hier ein paar Konzerttipps, schaut vorbei!
Musical-Duette „Du und Ich im Hier und Jetzt“
… bei der Veranstaltung „Kultur und Herz“ am 27.10. um 19 Uhr
im Foyer der Sparkasse Wiener Neustadt (Neunkirchner Straße 4) singe ich zwei Duette mit Kolleginnen vom Theater im Neukloster. Eintritt ist frei. Um Anmeldung unter event@wrneustadt.sparkasse.at wird gebeten. Wir sind das Rahmenprogramm einer Vernissage.
Safer Six (Pop-/Rock-Acapella!) – Wir sind bald auch in DEINER Nähe!
Voicemania-Eröffnung: Fr 4. November 14 – 17 Uhr Balcanto
Es ist wieder einmal Voicemania in Wien. Wir eröffnen mit A-Capella-Kolleginnen und -Kollegen das Festival in der Wiener Innenstadt. Einfach durch die Innenstadt flanieren und uns – und anderen A-Capella-Gruppen – lauschen, wie wir von Balkonen singen.
Nähere Infos zu den Spielorten und den teilnehmenden Gruppen: www.voicemania.at
Programm Sound Of Cinema
Fr 18. November, 19 Uhr, Stadtsaal Gloggnitz
Programm Safer SiXmas
Sa 26. November, 19.30 Uhr, Theresiensaal Mödling
So 27. November, 18 Uhr, Theresiensaal Mödling
So 4. Dezember, 19 Uhr, Erlöserkirche Wiener Neustadt (Für diesen Termin könnt ihr Tickets direkt über mich reservieren, einfach melden!)
Infos und weitere Termine:
www.safersix.at
2 Kommentare zu „#61 Einer dieser CVT-Begriffe: Was ist „metallischer Klang“ – und warum könnte man das wissen wollen?“