#65 Performance: Welche Macken sind „authentisch“ und welche müssen weg?

Ich hatte letztes Wochenende die Freude, gleich zwei Konzerte in derselben Location in Mödling zu singen. Es war der Auftakt zur Weihnachtssaison mit den Acappella-Jungs von Safer Six im Theresiensaal. Abgesehen davon, dass der Saal generell cool ist, weil er eine geile Akustik hat – und wir deswegen unplugged singen – ist es für mich, als Gewohnheitsmensch, super angenehm, wenn man am zweiten Abend schon genau weiß, wie alles läuft, wie der Sound sein wird, was einen erwartet. Und: Man hat die Chance, Fehler vom Vortag direkt auszumerzen. Bzw. sich einfach zu verbessern, Dinge anders zu machen. Oder gleich gut. Und – ich weiß ja nicht, ob Sie’s schon wussten – ich beschäftige mich derzeit wieder mehr mit meiner Körperhaltung auf der Bühne. Und – ich weiß auch nicht, ob Sie DAS schon wussten – zu viel Nachdenken auf der Bühne, bringt einen auch nicht weiter…

Symbolbild. Wollen wir uns nicht alle so frei und energiegeladen fühlen beim Singen? Ich glaube das ist ja der Zauber des Tanzens… (c) Pixabay/yogendras31

Die Themen „Fokus“ und „Üben“ habe ich ja schon öfters anklingen lassen hier. Wenn ich mit dem Kopf in den Noten oder beim Text bin – kann ich dann wirklich gleichzeitig darauf achten, nicht verzwickt nach oben zu blicken, oder mein Kinn nach vorne zu schieben? Kann ich dann wirklich gleichzeitig auf die Technik fokussieren – obwohl ich eigentlich nur die Musik genießen, gestalten, interpretieren sollte? Nein, kann ich nicht.

Und trotzdem kann man sich zwischendurch innerlich immer wieder kurz ermahnen, erinnern: Schultern zurück, Hinterkopf bewusst hochhalten, Lächeln, den Blick durchs Publikum schweifen lassen.

Und dann gibt’s natürlich nach Konzert eins gleich Feedback. Zum Beispiel, dass ich mir mit meinen Händen offenbar ständig den Rhythmus geklopft habe. Diese Handgeste war irgendwie neu. Die linke Hand vor dem Körper, Handfläche nach oben, leicht zu einer Schüssel geformt, die rechte Hand liegt in der rechten und klopft auf die linke. Ähnlich einer Geste, als ob ich gerne etwas zu essen haben wollen würde… 😉 Offenbar, habe ich mich so durch die vielen Rhythmen gekämpft und Halt darin gefunden. Tatsächlich kommen einem Konzert bei Konzerten, in denen man ungewohnterweise kein Mikrofon in der Hand, die Hände manchmal absurd nutzlos vor. Die hängen da so rum. Ohne Zweck. Bei Swing-Nummern, kann man mit der rechten erlösenderweise gut mitschnippsen. Und die linke? In die Hosentasche? Ab und zu ja, aber immer? Einfach baumeln lassen.

Ihr seht, mein Gehirn war auch im zweiten Konzert durchaus oft damit beschäftigt, meine Hände zu analysieren. Es hatte einiges zu tun. Ein Tipp könnte sein, sich eine bzw. mehrere Signature-Pose zu überlegen. Muss ja nicht unbedingt für’s Casting von Germany’s Next Top Model reichen. Eher eine Anker-Pose. Eine, die nicht so zappelig ist, wie meine Handzuckungen… Sei es eine Merkel-Raute, eine Hand in der Hosentasche, am Sakko-Revers… also im Idealfall drei vier „Positionen“ überlegen, in die man sich flüchten kann, wenn das Hirn plötzlich ratlos anfragt, was zum Geier es mit den seitlich am Rumpf hängenden Schlacksdingern ohne akute Greif-Aufgabe anfangen soll!

Wer bin ich auf der Bühne?

Was mich zur nächsten Frage bringt, die ich schon im Titel anklingen habe lasse. Sorry, heute gibt’s mehr Selbstbeobachtung/Fragen als Tipps und Antworten… Was ist eine Macke, eine störende Angewohnheit, und was ist mein authentisches Bühnen-Ich? Die etwas schwammige – und doch hilfreiche – Antwort könnte sein: Alles, was das Publikum nicht vom Wesentlichen ablenkt, ist okay. Das Wesentliche ist wohl, es zu ermöglichen, dass sich das Publikum auf die Musik einlässt, Text und Melodien, Harmonien und Rhythmus spüren und wirken lassen kann. Das wäre zum Beispiel nicht erfüllt, wenn es einen als Zuschauer:in mit den Augen ständig zu meinem vorgereckten Kinn zieht – „Warum macht der das?“, „Das schaut witzig/komisch/absurd/verkrampft aus!“. Es ist wie ein offenes Hosentürl (Hosenstall) auf der Bühne oder eine schief sitzende Haarsträhne bei einer TV-Moderatorin. Die Blicke gehen genau dorthin. Der Inhalt, bzw. das, was wir eigentlich transportieren wollen, geht komplett verloren.

Aber das heißt nicht, dass man nicht man selbst sein soll. So schwer es manchmal sein kann, man darf sich die Bühne, den Raum ruhig schnappen, sich zu eigen machen. Man darf auch seine Macken manchmal laufen lassen. Wir sind wieder bei dem wunderbaren Wort „Präsenz“. Man muss anwesend sein – eben nicht mit dem Hirn beim Text oder bei der Technik. Also wie immer: Üben, üben, üben. Und für die Performance darf man sich helfen, wie ich’s oben beschrieben habe: Ankerpunkte setzen. Drei, vier Positionen/Posen/Haltungen überlegen, die man einnehmen kann, wenn das Gehirn einen zu sehr selbst beobachtet und innerlich mit den Augen rollt. Denn die ständige Selbstbeobachtung hat auf der Bühne nichts zu suchen. Für mich die größte Herausforderung, wie dieser Blogeintrag ausschweifend nahelegt… haha. Aber vielleicht ein wertvoller Tipp für Dich und mich: Sich nicht beim Tun ständig bewerten. Danach – klar, darf man schauen, was man besser machen kann – aber beim Konzert: einfach mal machen, sein Bestes geben, im Moment sein. Oder wie eine unserer Ski-Sportlerinnen im Interview jeeeedes Mal zwischen Durchgang eins und zwei sagt: „Jetzt heißt’s nochmal richtig pushen – ja, und dann sehma im Ziel, was rauskommt“. Und dann folgt ohnehin die Videoanalyse. Beim Slalomschwung und der Gesangsperformance.

Habt eine schöne Woche! Hier meine nächsten Termine. Kommet und lauschet und beobachtet meine Hände. Das macht’s fix viel entspannter für mein Hirn 🙂

Safer Six – a cappella Rock/Pop in Weihnachtsstimmung: Safer SiXmas

Do 8. Dezember, 18.00 Uhr, Christkindlmarkt Schloss Schönbrunn, Wien (freier Eintritt)
Fr 9. Dezember, 19.30 Uhr, Volksschule Unterhöflein an der Hohen Wand
Sa 10. Dezember, 18.00 Uhr, Christbaumdorf Adventmarkt Bad Sauerbrunn (freier Eintritt)
Fr 16. Dezember, 17.00 Uhr, Ruster Adventmeile (freier Eintritt)
Fr 23. Dezember, 20.00 Uhr, Kulisse Wien – DER Traditionstermin

Ticket-Infos und weitere Termine:
www.safersix.at

Und noch einmal Werbung für das Weihnachtsmärchen-Musical „Katrin Nussknacker“ im Theater im Neukloster in Wiener Neustadt (bei dem ich nicht auf der Bühne stehe, aber für die musikalische Leitung verantwortlich bin). Empfehlung für Familien mit Kids ab sechs Jahren! Infos und Tickets: www.theaterimneukloster.at

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

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