Ich weiß eh, ich bin ein bisserl spät dran. #themenplanung *räusper*…. Am Mittwoch war Internationaler Frauentag – 8. März. Wie jedes Jahr. Und dass da in unserer Gesellschaft immer noch viel zu tun ist, ist hoffentlich allen klar. Und viele Problemfelder sieht man als Mann manchmal gar nicht, oder nimmt gar nicht mal richtig wahr. Umso wichtiger ist hier die offene Kommunikation und Interesse am Gegenüber (prinzipiell natürlich unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder sonstiger Zuordnung).
Also für Achtsamkeit darf man da immer plädieren, oder? Ich weiß schon, es ist eines dieser Trigger-Wörter. Aber ich habe noch nie verstanden, was das Problem dabei sein soll, wenn man darauf schaut, dass sich alle Menschen so wohl wie möglich und sich gehört und verstanden fühlen. Was uns zum Thema Singen bringt. Ich habe unlängst mit einer Sängerin diskutiert, inwieweit es beim Singen auch das Phänomen gibt, dass die Methodik bzw. Forschung zu sehr an Männern ausgerichtet oder untersucht wäre. Also ein klassisches Beispiel für dieses Phänomen wären die Crashtestdummies für Fahrzeugunfall-Tests. Meist sind diese immer noch einem durchschnittlichen Mann nachempfunden – von Statur und Größe. Ähnlich verhält es sich offenbar manchmal in der Medizin, wo manche Symptome bei Männern und Frauen unterschiedlich verlaufen, aber meist aus männlicher Perspektive diagnostiziert bzw. gelehrt bzw. medikamentiert werden. Okay, aber zurück zum Singen…

Beim Singen war die Frauenstimme schon lange im Fokus – wenn auch oft aus männlich-wissenschaftlicher Dominanz
Aber das ist beim Singen schon ganz anders. Wie ich schon einmal im Blog festgestellt habe: Singen ist beinahe absurd binär – streng in Frauen und Männer aufgeteilt. Durch die Unterscheidung Stimmbruch und klar andere Physiologie der Stimmbänder, des Kehlkopfs – und damit des Klangs – stellen sich Frauen und Männern unterschiedlichen Probleme bzw. sind sie mit unterschiedlichen Fragen konfrontiert. Und das war immer schon so, seitdem man sich mit der Singstimme beschäftigt.
Für Vocal Coaches und Gesangslehrer:innen stellt sich zu Beginn der Tätigkeit immer die Frage: Wie gut kann ich mit der Stimme des jeweils anderen Geschlechts umgehen? Denn gerade zu Beginn profitiert man vor allem von den Erfahrungen, die man selbst als Sänger:in gemacht hat, von Fragen und Problemen, die man selbst lösen musste. Und das sind meistens recht unterschiedliche – aber logischerweise oft auch geschlechterspezifische. Aber nicht nur… Diese ganze Registerproblematik mit Bruch zum Beispiel trifft einen als Mann aber meistens viel weniger. Aber das ist nur EIN Beispiel
Und so haben junge / neu beginnende Gesangslehrer:innen oft viel Respekt vor Sänger:innen des anderen Geschlechts. Einfach, weil man selbst anders gebaut ist. Das fängt beim Vorsingen des Tones, einer Phrase an. Selbe Oktave? Andere Oktave? Was macht da Sinn… Und man muss die Range der Übungen natürlich anpassen, bei den typischen „Problemzonen“ gibt es einfach Unterschiede. Alles eine Oktave runter oder rauf zu „kopieren“ wird nicht funktionieren. (Eine Quart bis Quint hinunter trifft’s prinzipiell eher – aber auch nicht so ganz). Das war auch für mich ein langer Lernprozess – und as usual: ich lerne immer noch…
Ich denke das „Problem“ oder die „Herausforderung“ für mich als Coach lässt sich aber generell daran festmachen: Tickt der/die Sänger:in anders als ich? Und wie kann ich dem entgegenwirken bzw. trotzdem ein wirkungsvoller Coach sein? Das fängt eben schon damit an, dass nicht für jede:n Sänger:in dieselbe Übung gut ist / konstruktiv ist / etwas bringt. Auch wenn dieselbe Übung mit beim selben Problem geholfen hat. Oder: Nur weil mir es wichtig ist, anatomisch die Dinge zu hinterfragen, muss das für mein Gegenüber nicht genauso sein. Oder: Nur weil es sich für mich nach „Resonanz in den Schneidezähnen“ anfühlt, muss das bei meinem Gegenüber nicht unbedingt so sein. Da mag man beim Lesen dieser Worte zwar wissentlich nicken, aber im Alltag ist das durchaus die größte Herausforderung. Die eingefahrenen Spuren verlassen, für „jeden Charakter“ eine Hilfe parat zu haben. Und zu Beginn kann da die „Geschlechterhürde“ eine der offensichtlichsten sein. Immerhin so offensichtlich, dass man sich relativ rasch damit auseinandersetzt…
Die Sängerin und die Herren an den Instrumenten
Wobei die Sänger:innenszene ja durchaus prinzipiell weiblich dominiert ist. Es gibt grob geschätzt ein Geschlechterverhältnis von 1:10. So rein aus persönlicher Beobachtung… Als Mann fällt man sozusagen automatisch viel mehr auf in dem Job. Das sieht man an Workshopteilnehmer:innen, aber auch daran, dass man gefühlt 90 % der Sänger in der Region wirklich persönlich kennt – zumindest via Facebook. Bei Sänger:innen wäre das unmöglich. Auch wenn Wien und vor allem Wiener Neustadt in dieser Hinsicht schon auch manchmal ein Dorf sind.
Aber gerade die Musik hat in Sachen Gleichstellung bzw. Quote noch viel zu tun. In Orchestern und auch in Bands. Ist es nicht absurd, dass Frauen an Instrumenten im Pop/Rock-Bereich immer noch auffallen? Oder dass Festival-Veranstalter es immer noch nicht schaffen, eine eiiiinigermaßen akzeptable Frauenquote in ihren Line-ups aufzustellen? Sängerinnen, ja, gibt es viele. Aber in der Band dahinter? Wie viele All-Female-Bands kennt ihr? Und wie viele All-Male-Bands? Es ist eine männlich geprägte Szene, auch was die Netzwerke betrifft. Klar, ändert sich hier Vieles. Aber mich fasziniert immer wieder, dass das so selbstverständlich ist, dass in einer Band nur Männer sind. Es fällt niemandem auf – weil einfach quasi der Normalzustand. Und natürlich: Wo sind die Dirigentinnen?
In diesem Sinne, liebe Frauen: Ran an die Gitarren, Klaviere, Bässe und Schlagzeuge dieser Welt. Ran an die Universitäten und Konservatorien. Setzt eure musikalischen Visionen um. An all die Männer: Bands sind kein Männerklub… Und an all die Veranstalter da draußen: Holt euch mehr Bands mit weiblicher Beteiligung an die Häuser, Clubs und Festivals. Sichtbarkeit ist wichtig, um junge Frauen auch zu zeigen, dass auch sie E-Gitarristinnen und Drummerinnen werden können.
Verspätet also: Einen schönen internationalen Frauentag! Auf dass es irgendwann keinen Frauentag mehr braucht! Noch sind wir aber wirklich nicht soweit! Und passend dazu, was sagt ihr zum österreichischen Song-Contest-Beitrag heuer? 🙂