#34 „Nasal!?“ Ist doch nur ein Adjektiv

Das mit den Schubladen haben wir ja schon oft debattiert hier… Oder über das Urteilen von anderen. „Du singst so… nasal!“ Zum Beispiel. Oft gepaart mit Naserümpfen des Kommentators. Aber warum ist „nasal“ für manche gleich eine Beleidigung? Weil es eben in manchen Stilen vielleicht nicht so gerne gesehen ist. Deshalb braucht man aber noch keine Angst davor haben, den Nasengang zu öffnen… Denn wie wir unseren Klang gestalten, ist schon unsere Entscheidung! Aber was der „Nasengang“ überhaupt ist, warum „nasal“ nichts mit „Twang“ zu tun hat, und überhaupt was Nasalität mit unserem Klang macht, darüber geht’s heute im …. *ding ding ding* Vocaaaaaaaalfridaaaay! #showmastervoice

Eine meiner dilettantischen Zeichnungen. Die Original-Version – ohne mein rotes Gekritzel – wäre jene mit offenem Nasengang (=nasaler Klang). Das Gaumensegel kann aber nach hinten oben den Nasengang „abdichten“ und den Sound ausschließlich durch den Mund schicken (= rotes Gekritzel, samt Einkreisung)

Anatomie

Ich halte mich kurz, keine Sorge. Wenn wir singen kommt die Luft aus der Lunge, passiert den Kehlkopf und geht dann via Mund und/oder Nase nach außen. Und bzw. oder, das sind die Schlüsselwörter. Welchen Weg die schwingende und klingende Luft nimmt, das entscheiden wir selbst. Denn wir haben da eine Art Weiche, die wir steuern können – das Gaumensegel. Entweder es ist entspannt und gibt Raum hinten an der Rachenwand frei, dann kann die Luft auch in den sogenannten Nasengang hinauf und der Klang sozusagen auch durch unsere Nase entweichen.

Schließt das Gaumensegel aber hinten den Rachen und den Nasengang ab, kommen Luft und der Klang ausschließlich durch die Mundöffnung. Es ist aber kein „entweder oder“. Ist der Nasengang offen, wird immer Luft und Klang auch durch den Mund kommen. NUR Nasenklang gibt’s auch, das nennt sich dann Summen… 🙂 oder mit „ng“ ist es ja auch so. Wenn der Mund zu ist (oder bei „ng“ die Hinterzunge den Zugang zum Mundraum blockiert), hat die Luft keine andere Wahl, als durch die Nase zu gehen.

Klang

Nasalität ist ungefähr ähnlich populär missverstanden wie Twang – und wird manchmal auch klanglich verwechselt. Das, was wir vielleicht unter „ur nasal“ verstehen, ist oft Twang mit Nasalität in Kombination. Ich kann aber auch mit gaaaanz dunkler Klangfarbe singen (wie ein Riese in einem Fantasyroman) und trotzdem den Nasengang öffnen. Und ich prophezeie euch, es wird kaum jemand merken. Außer vielleicht die Vocalfriday-Comunity…

Also was macht es dann mit einem Ton, wenn wir nasal singen? Da habe ich gar keine eindeutige Antwort… Nasal hat schon eine eigene Qualiät, die aber eben nicht immer so stark hervortritt, wie man das vielleicht glaubt. Bei meinen Workshops mit „Estill Voice Training“ war immer die Rede davon, dass der Klang „abgedeckt“ bzw. dumpfer wird, wenn man nasal singt. Und das kann ich auch nachvollziehen. Bei Complete Voice Technique heißt es, Nasalität macht den Klang minimal heller in der Klangfarbe – aber ist eben kein wesentlicher Faktor in der Klangfarbe. Auch das kann ich nachvollziehen. Ihr seht also, für die Klangfarbe an sich, ist Nasalität gar nicht so entscheidend. Bzw. vielleicht ist das auch sehr subjektiv.

Entscheidend ist eben eher, was darunter, im gesamten Vokaltrakt passiert. Wenn ich mit viel Twang und hohem Kehlkopf singe (Modell „ein nerviges Kind aus Texas singt ‚Let It Go'“), dann kann ich immer noch entscheiden: Nasengang auf oder zu. Und bei Nasengang auf (also nasal) wird es schon sein, dass euch der Klang noch extremer vorkommt. Aber ob heller oder dunkler oder gedämpfter?

Ein Beispiel für Supernasalität wäre Fran Drescher („The Nanny“): die Kombi extremer Twang + Nasalität.

Nasalität nimmt dir die Klang-Power

Aber schon relevant für alle Sänger:innen: Nasalität nimmt Power. Die „Moneynotes“ (Bäm-Töne, die die Kassen klingeln lassen… 🙂 werd ich nicht nasal belten. Warum? Ich verbrauche mehr Luft, der Ton verliert an Kraft und Klarheit. Möglich ist es schon, aber nicht ideal. Man beraubt sich der Power, die der Ton bieten könnte. Anders ist die Lage etwa bei Mix-Tönen oder beim CVT-Mode wie Curbing, wo der Sound generell etwas gedeckt ist. Da kann „Nasalität“ sogar ein Trick sein, um den Sound zu finden. In der Endausbaustufe ist auch hier natürlich der Plan, das Gaumensegel und die Nasalität kontrollieren zu können. Das Empfinden von einem Stimmsitz „vorne“ hat für manche übrigens auch eine Empfindung von „Nase“ – oft mit tatsächlicher Nasalität, manchmal auch nur eine Vibration, obwohl die Luft gar nicht durch die Nase geht. Ihr seht wiedermal: Alles nicht so einfach und Wörter und Begriffe können für jeden etwas anderes bedeuten.

Übung und Kontrolle

Ja schön, schreibt er das wieder, der Klemens, aber was soll ich jetzt damit anfangen? Gute Frage. Einfach einmal experimentieren, üben und langsam kontrollieren werden. Die „Figure of Voice“ für das Gaumensegel aus „Estill Voice Training“ ist hier perfekt dazu geeignet. Hier isolieren wir die drei Positionen des Gaumensegels (Velum).

  1. Niedriges Gaumensegel („Low“): Der Klang kommt ausschließlich aus der Nase per „ng“-Klang.
  2. Mittlere Gaumensegel-Position: Der Klang kommt sowohl aus Nase als auch Mund – etwa wenn wir „normal“ reden. Oft ein leicht „abgedumpfter“ Ton. Also NASAL.
  3. Hohe Gaumensegel-Position: Das Gaumensegel verschließt den Weg zur Nase hinauf, Luft und Klang kommen zu 100% aus dem Mund. Meist ein klarer, voller, „offener“ Ton. Nicht nasal.

Ihr wisst eh, nicht immer ist alles so eindeutig… Aber so als Basis ist das schon recht spannend.

  1. Ein niedriges Gaumensegel ist nicht so schwer… „ng“. Bäm. Fertig. Lest hier nochmal nach, falls ihr den Blogeintrag verpasst habt.
  2. Mittleres Gaumensegel – also NASAL. Hier behelfen wir uns mit dem französischen Wort „bon“. Genießt den Klang und seid ganz besonders Pseudofranzösisch. Ob ein Klang in der Nase ist oder nicht, könnt ihr mit einer einfachen Probe kontrollieren. Ein (oder beide) Nasenloch/Nasenlöcher kurz zuhalten während dem Ton/dem Vokal. Vibriert es dann in der Nase? Verändert sich der Klang merkbar? Dann ist der Nasengang offen. Bleibt der Ton gleich, sind keine Vibrationen in der Nase zu spüren – dann ist der Nasengang vermutlich zu. Also: „Booooooon“ sagten und testen. Nasal? Super! Das war der Plan. Mit anderen Vokalen üben (Bien!). Ein „G“ kann helfen, Nasalität zu finden. „Giiiiih“. Zum Beispiel.
  3. Hohes Gaumensegel – also NICHT NASAL. Statt „Bon“ sagen wir das schöne deutsche Wort „Boot“. Und wir ziehen den Vokal wieder in die Länge: „Booooooot“. Nasenprobe nicht vergessen. Harte Konsonanten wie T oder K helfen uns dabei NICHT nasal zu singen. Nur da suchen wir uns lieber andere Vokale als Abwandlungen von Boot… (Sickerwitz…). Kiiiiiiih. Zum Beispiel.

Es gibt da diesen (für mich anfangs) verwirrenden Trick, dass man sich vorstellen soll, man sei verschnupft. Oder abgewandelt: Man stellt sich vor, dass es ganz übel riecht im Raum (und man daher die Nase sozusagen gar nicht verwenden will und nichts riechen will). Der Trick zielt darauf ab, dass der gesamte Ton durch den Mund geht – also NICHT NASAL. Doch oft passiert das Gegenteil, denn bei klingenden Konsonanten wie N oder M müssen wir ja in die Nase. Und man klingt dann auch tatsächlich verschnupft… Aber manchmal ist es ein guter Trick, um Nasalität wegzubekommen.

Also jedenfalls erst einmal die drei Grundpositionen üben. Etwa „Boot“ und „Bon“ immer abwechselnd auf einem Ton singen oder einfach sagen – bzw. die Wörter und Vokale variieren. Dann auch die Tonlage variieren.

Die Meisterübung

Für Fortgeschrittene dann die Megaübung. Währen einem gesungenen „ih“ ohne abzusetzen den Nasengang öffnen bzw. schließen. Das ist Hardcore. Die Kurzanleitung dazu:

  • Start auf „ng“
  • das „g“ für einen guten Übergang in einen „nasalen Ton“ nutzen
  • langsam (wie in Zeitlupe) die Zunge vom Gaumensegel lösen, breit halten und ein „i“ singen.
  • sich dabei möglichst französisch vorkommen (Nasenprobe! nasal? yes!)
  • und dann den Klang mehr und mehr durch den Mund schicken
  • manchmal hilft etwas Twang oder die Vorstellung man sei ein (gelangweilter) Roboter, um den Nasengang zu schließen.

Ich muss zugeben, die oben beschriebene „Richtung“ finde ich schwerer…. Also von non-nasal fließend in einen nasalen Ton zu wechseln, das kann ich. Umgekehrt nicht immer 🙂

Viel Spaß beim Üben! Und wie gesagt, es ist EUER Klang. Nasalität ist nicht die Wurzel des Bösen. Aber wie bei allen Dingen im Singen: idealerweise können wir’s kontrollieren. Habt einen schönen Wochenausklang! Und lest meine hier folgende Werbung für das Safer-Six-Konzert am 12. März! Aufregung steigt!

Klemens on stage – mit Safer Six

Es ist mein erstes neues Programm mit der Acapella-Truppe. In „Sound of Cinema“ bringen wir zu sechst etliche Filmsong-Klassiker in supidupi Vokal-Arrangements auf die Bühne. Wir sind gespannt wie eine Filmrolle und glänzen optisch mit den Oscar-Statuetten um die Wette. Vor Aufregung. Dank Glitter. Okay… und Schweiß. Freu mich auf Euch! Weitere Termine findet ihr auf unserer Homepage: www.safersix.at

12. März 2022
Sound of Cinema – Wien Premiere
20 Uhr im Orpheum, Wien
Steigenteschgasse 94 b, 1220 Wien
Karten: www.orpheum.at

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

2 Kommentare zu „#34 „Nasal!?“ Ist doch nur ein Adjektiv

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