#52 Drei Tipps für Gesangsanfänger*innen

Ich weiß, ich schreibe ja gerne über dies und das, und das gerne frei von der malträtierten Leber weg. Heute verrate ich euch drei Tipps, die ich allen Menschen mitgebe, die „mit dem Singen anfangen wollen“, die in ihre erste Gesangsstunde kommen und erwarten, dass Singen etwas komplett anderes ist, als sie jemals erahnt haben… 🙂 Dazu sei nochmal auf diesen älteren Blogeintrag verwiesen: #43 Ich Meister, du Schüler!

Heute greife ich wieder einmal auf die Basics der Complete Vocal Technique zurück. Dieses Gesangssystem beschreibt drei Grundprinzipien, die den meisten einleuchten werden. Diese drei Prinzipien werden in der einen oder anderen Art wohl von jedem Gesangslehrenden irgendwie Teil des Unterrichts sein – so hoffe ich zumindest. Im Detail scheiden sich dann vielleicht die Geister. Jedenfalls: Wenn mein Sänger-Ich nach Gründen sucht, warum mir dieser eine verflixte Ton nicht gelingt – oft zahlt’s sich aus, sich diesen Basics wieder zuzuwenden.

Immer schön lächeln! Geheimtipp beim Singen – zumindest innerlich. Hilft aber auch bei Intonation und oft auch beim Vokaltraktsetup.
(c) Alexander Müller

Also, die drei Grundprinzipien der Complete Vocal Technique. Und ich trau mich diese mit eigenen Worten vielleicht ein wenig zu erweitern. #fastenyourseatbelts 😉

Warum brauchen wir diese Grundprinzipien? Wobei helfen sie? Kurze Antwort: Für den heiligen Gral des Singens:

  • Gesundes (die Stimme nicht schädigendes) Singen
  • Längere Töne
  • Lautere Töne
  • Höhere Töne / Tiefere Töne

Na, wenn das mal nicht Motivation genug ist?

Erstens: Notwendiger Twang

Okay jetzt werden alle vier Stammleser*innen denken, „jetzt kommt der uns schon wieder mit dem Scheiß“… Ja. Weil: Es ist einfach wesentlich. Und in der ersten Gesangsstunde rede ich vielleicht nicht immer gleich von „Twang“. Sondern vielleicht von einem „Kern“ im Ton, einem „volleren Ton“, einem Ton, der „tragfähig“ ist. Und meistens erkläre ich Twang aber dann doch relativ rasch.

Also mithilfe von Bildern/Szenarios etwa für sich selbst checken, was Twang sein kann:
– du bestellst etwas in einer lauten Bar mit durchdringenderer Stimme
– du redest wie mit einem Kleinkind („Ja wer bist deeeenn du?“)
– du BIST das Kleinkind, das jemanden ärgert („Ich will aaaaaber etwas eeeeessen!“ oder „Nänänänänääääänääää!“)

oder mit Klangbeispielen:
– Spielzeugauto
– Ente
– Schaf

Wesentlich ist, das Ganze auch in Töne umwandeln zu können – und mittelfristig so steuern zu können, dass wir auf „zu luftige“ Töne, die wir gerne tragfähiger hätten, eine Prise Twang-Setting hinzuzufügen, um dem gegenzusteuern. Ich betone: eine Prise. So viel, wie wir eben wollen!

Wer mehr über Twang wissen will, dem seien meine älteren Blogbeiträge ans Herz gelegt:
#48 Drei Missverständnisse über Twang
#31 „Twang“ heißt das Zauberwort

Also ein erster Basic-Tipp: Lächle innerlich beim Singen und gib deinem Ton ein bisschen mehr Fülle, in dem du dir vorstellst, etwa in einer lauten Bar ein Getränk zu bestellen. (Wenn das wenig Änderung bringt: jedenfalls die twangbaren Vokale wie Ä wie „Ähre“, eh wie im englischen Wort „stay“…)

Zweitens: Stütze und Luftstrom!

Der zweite wesentliche Punkt, der dir vielleicht in einer deiner ersten Gesangsstunde über den Weg laufen könnte, ist Support/Stütze. Für den Anfang ist es vielleicht keine schlechte Idee, den Körper einfach mal machen zu lassen und nur dann aktiv gegenzusteuern oder „einzugreifen“, wenn du (oder dein Gesangscoach) Verspannungen beim Singen merkst. Also, wenn du zum Beispiel deinen Bauch hinauspresst und die Bauchmuskeln fest anspannst. Oder du reckst deinen Kopf nach vorne oder spannst irgendwie deine Schultern und Brustkorb an – oder ziehst die Schultern immer nach oben, wenn die Töne höher werden. Sollte das der Fall sein, legen wir den Fokus dann vielleicht doch auch darauf. Vielleicht mit Bewegungen – imaginäres Seilziehen – oder wir fokussieren uns auf ein entspanntes „Hineinkommen“ des Bauches beim Singen bzw. vor allem auf eine leichte Bewegung des Solarplexus nach außen bzw. auf ein Weithalten der unteren Rippen während wir singen. Und zwar sachte.

Denn eines ist wesentlich: Jeder Ton braucht einen Luftstrom. Und wie viel Luft wir einsetzen und „unter die Stimmbänder“ bringen, das können wir schon steuern (ob wir das Zwerchfell jetzt wirklich willkürlich steuern können, die Diskussion spare ich jetzt mal aus). „Pressen“ wir zu viel, brauchen wir vielleicht eine langsamere Bewegung im Support, lassen wir den Bauch langsamer, ohne Nachdruck, „hineinkommen“, ziehen ihn anfangs vielleicht gar aktiv hinein, wenn das dabei hilft, Verspannungen zu vermeiden. Singen wir zu leise, zu lasch, zu wackelig und inkonsistent, braucht’s vielleicht etwas mehr „Druck“, also etwas mehr Arbeit, vielleicht eine langsamere, intensivere Bewegung – mehr „Resistance“. Ja, ohne den Luftdruck unter den Stimmbändern, der sie „ansaugt“, wird’s nix werden mit (lauterem) Singen. Hier ein Facebook-Post vom Complete Vocal Insitute, der in den letzten Tagen online ging. Support zu spüren, das geht auf viele Arten. Hier ein Beispiel. Die rechte Abbildung ist die, die wir wollen. Links ist sozusagen „falsch“.

Also: Lerne deine Stützmuskeln kennen. Für den Anfang lege deine Hände auf die unteren Rippen und spüre sie beim Einatmen, wie sie sich weiten. Oder beim Singen: Trete während des Singens zu einem imaginären Seilzieh-Duell mit einem doch deutlich schwächeren Gegegenüber an. Ja, zieh am unsichtbaren Seil, das vielleicht eher ein Bindfaden ist, der bei zuviel Kraftanstrengung auch reißen könnte. Das gibt dir ein wenig Körperspannung an den richtigen Stellen – aber ohne, dass du dich jetzt total anspannst. Ich merke bei der Beschreibung gerade, dass es gar nicht so einfach ist, das richtige Bild zu beschreiben… Kein Seilzug-Duell, wo du dich mit den Füßen in den Boden stemmst und die Luft bei hochrotem Kopf anhältst, um deinen Torso zu stützen. Das ist NICHT gemeint 😉

Falls zu mehr zu dem Thema lesen willst, hier entlang:
#17 Atmen für Sänger*innen? Vier Missverständnisse
#22 „ssssssss“: Let it flow – Gedanken über Stütze
#38 Wie stütze ich richtig? Don’t be a Slappfisk!
#39 Zu viel Stütze, gibt’s das?

Drittens: Singen ist Zungensache

Bei CVT ist der dritte Punkt auf der Liste der „Overall Principles“ das Vermeiden von Lippenspannungen bzw. das Vermeiden des Vorschiebens des Unterkiefers“. Für mich persönlich sind das gefühlt zwei völlig verschiedene Themen. Aber kurzum: der Unterkiefer soll locker bleiben – und keine komischen Gesichtsverrenkungen, bitte 🙂 Hinter dem „Vermeiden der Lippenspannungen“ steckt auch ein Hinweis darauf, dass es einfacher wäre (und vielleicht auch manchmal herausfordernder), die Vokale eher mit der Zunge zu gestalten und zu kontrollieren, als mit den Lippen. Laaangsam von einem Vokal in den anderen zu gleiten mit minimalsten Veränderungen – nur so viel Bewegung in der Zunge, wie es eben notwendig ist. Smoothe Übergänge der Vokale – und nur ja nicht von den bösen Konsonanten stören oder aus dem Luftstrom-Konzept bringen lassen. Und sich zuerst einmal den vielen Vokalen bewusst werden, die die Sprache hergibt. Mehr als die Laptop-Tastatur hergibt.

Also, was nehmen wir hier als Anfänger*in mit: Singen besteht eigentlich ausschließlich aus verlängerten Vokalen, unterbrochen von Konsonanten. Diese Klänge verbinden wir so elegant wie möglich. Jeden Vokal formen wir natürlich nicht ausschließlich mit der Zunge, aber die Zunge ist ein wesentlicher Faktor dabei. Dass jeder Vokal so seine Tücken und Vorteile hat, das ist dann vielleicht ein anderes Thema. Aber: Ein lockeres Unterkiefer und eine richtig platzierte Zunge (ohne Spannung in der Zungenwurzel) kann schon viel helfen.

Disclaimer: Jede*r Sänger*in braucht anderen Input

Alles klar? Ich denke, mit diesen drei Themen wären wir dann schon eine Weile beschäftigt. Die richtige Balance im Support finden, erlernen und spüren, was Twang alles sein kann und wie eine minimale Veränderung im Setup den Ton voller und tragfähiger machen kann – und drittens: freundliche Zunge machen und das Kinn locker lassen.

Ist doch super einfach, oder? An dieser Stelle noch einmal ein Disclaimer: Jede*r Sänger*in ist anders. Jede*r Sänger*in lern und spürt anders, hat andere Vorkenntnisse, andere Gewohnheiten und Angewohnheiten…. Insofern gibt es nicht DIE DREI TRICKS, die allen helfen. Aber wer für sich in den drei oben genannten Bereichen einen guten Weg findet, dem steht bei der Entwicklung der eigenen Stimme wenig im Weg. Bäm.

#Sommerpause. Ich verabschiede mich für vermutlich drei Wochen in die Sommerpause. Wir lesen uns Mitte August wieder, wenn ihr wollt! Hier noch die nächsten Konzert-Termine. Würde mich freuen, euch zu sehen – in dem Fall ist auch was für eure Kids dabei!

Safer Six (Pop-/Rock-Acapella!) – unser neues Programm „Sound Of Cinema“ ist bald auch in DEINER Nähe!

Sa 27. August, 19.30 Uhr, im Konzerthof der Stadtgemeinde Mödling
Fr 2. September, 20 Uhr, Schloss Katzelsdorf
Fr 23. September, 20 Uhr, Musikerheim Wartmannstetten
Sa 1. Oktober, 19.30 Uhr, KUSAMi Mitterndorf an der Fischa

Safer Six – Kinderprogramm: „Auf der Suche nach der Goldenen Note“

Meine Premiere als „Philipp“ im wunderbar musikalisch-humorvollen, rund 70-minütigen Acapella-Kindermusical „Auf der Suche nach der Goldenen Note“ steht bevor, gleich an mehreren Terminen demnächst:

27. August, 16 Uhr, Konzerthof der Stadtgemeinde Mödling
8. Oktober, 16 Uhr im Kulturzentrum Oberschützen
9. Oktober, 14 und 16.30 Uhr im Kulturzentrum Mattersburg

Und das mit der Rolle als „Philipp“ ist natürlich ein Schmäh, steht zwar im Textbuch, aber natürlich werde ich die Rolle komplett neu anlegen, mit dem kreativen Namen „Klemens“.

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

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